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Benny und Omar

Benny und Omar

Titel: Benny und Omar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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zerbrach wie ein Ei und durch die Risse in seiner Schale spritzte grüner Schleim. Benny schob das Blatt seines Schlägers unter das zerschmetterte Tier und hob es auf eine kleine Insel aus Sand.
    » Adios , mein kleiner giftiger Kumpel«, murmelte er und schlug den Skorpion über die Mauer.
    Der Tennisball war immer noch vollkommen durchnässt. Weiß der Himmel, was in dieser Brühe war. Wahrscheinlich eine weltweit verbotene Chemikalie, die sich just in diesem Moment gerade durch die Gummiinnereien des Balles fraß.
    Etwas traf ihn im Nacken. Es rutschte an seiner Jacke hinunter und blieb im Hosenbund seiner Shorts hängen. Einen Augenblick lang war er starr vor Schreck, dann riss er das Hemd aus der Hose. Der jüngst verblichene Skorpion fiel zu Boden. Noch im Tod war sein Stachel ausgesprochen bedrohlich. Bennys erster Gedanke war ebenso flüchtig wie blöd: Der Skorpion war zurückgekommen, um sich zu rächen. Nein, das war nicht möglich. Diese Kreatur war tot.
    Benny spürte ein Prickeln zwischen den Schulterblättern. Er wusste aus jahrelanger Erfahrung mit gefährlichen Verteidigern, die sich an ihn heranschlichen, dass jemand hinter ihm stand.
    Er wirbelte herum und da war er. Oben auf der Grenzmauer, mit einer Kippe im Mundwinkel. Ein tunesischer Junge, elf oder zwölf Jahre alt, mit Schlappen, die an seinen Zehen baumelten. Er deutete auf den Skorpion und dann auf sein Bein. Hab ihn wohl getroffen, dachte Benny ohne große Reue.
    »Nur aus Versehen, du Idiot«, rief er.
    Der Junge lächelte. Eher spöttisch als fröhlich. Seine Augen und seine Zähne hoben sich gegen die karamellfarbene Haut ab.
    »Notruf eins eins null«, sagte er. So verstand es wenigstens Benny.
    »Was soll das?«, fragte Benny herausfordernd und erhoffte sich eine kleine Auseinandersetzung.
    Das Zahnpasta-Lächeln des tunesischen Jungen wurde noch breiter. Er rieb sich die Stirn, als ob er eine Riesenbeule hätte.
    »Tom und Jerry«, lachte er und imitierte die Miene der unglücklichen Katze, nachdem sie ein Bügelbrett auf den Kopf bekommen hat.
    »Sehr witzig, wirklich«, knurrte Benny, »du bist ja ein richtiger Spaßvogel.« Er tat so, als wollte er sich auf den anderen Jungen stürzen, aber der rührte sich nicht von der Stelle. »Geh heim zu deinen Ziegen!«
    Der Tunesier nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarette und schnipste dann mit einer gekonnten Bewegung den Stummel weg. Er landete in einem Funkenregen auf Bennys Kopf. Aufheulend schlug er sich mit der flachen Hand auf den Kopf. Sein neuer Feind klopfte sich vor Begeisterung auf die Schenkel und lachte hocherfreut.
    Die Legende von Cúchulain, der einem angreifenden Hund seinen Hurlingball in den Rachen stopft, kam dem angesengten irischen Jungen in den Sinn. Er hatte schon immer davon geträumt, mal jemandem einen Ball in den Rachen zu feuern.
    Jetzt hatte er sein Opfer gefunden. Er zog den triefenden Ball hervor und warf ihn mit aller Kraft seiner drahtigen Arme. Das nasse Geschoss pfiff durch die Luft und verspritzte eine schleimige Flüssigkeit.
    Der Tunesier fing den Ball aus der Luft. Nickte zum Dank. Und war verschwunden.
    »Was soll das?«, stieß Benny hervor. »He! Bleib da! Das ist mein Ball!«
    Er wusste, was er eigentlich tun sollte. Er sollte über die Mauer klettern, dem Typen eine reinhauen und sich seinen Ball zurückholen. Wenn er nicht ging und sich seinen Ball holte, könnte er auch gleich ein T-Shirt mit dem Aufdruck »Memme« tragen. Benny ließ den Schläger fallen und nahm Anlauf. Zu spät besann er sich anders und stieß mit der Schulter gegen den Beton.
    Das war nicht nur ein Ausflug in feindliches Gebiet. Der Typ könnte da draußen seine Bande versammelt haben und nur darauf warten, dass der irische Junge so blöd war zu kommen. Vielleicht wollten sie seine Nieren rauben oder so etwas Ähnliches. Benny fühlte sich ausgetrickst und trottete heimwärts. Um den Swimmingpool machte er einen großen Bogen. Das Maß an Demütigung war für diesen Tag erreicht.
    Als Benny am nächsten Tag nach der Schule wiederkam, stand die Mauer immer noch so da, wie er sie verlassen hatte. Er sog die letzten Tropfen aus seinem Tetra-Pack, warf die leere Packung über die Mauer und hoffte, dass sich irgendetwas tat. Nichts. Kein kleiner arabischer Klugscheißer grinste auf ihn herunter. Ihm ging es im Augenblick nicht nur um seinen Stolz. Das Gepäck war immer noch nicht eingetroffen und er hatte keine Bälle mehr. Natürlich trug er auch schon seit drei Tagen –

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