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Benny und Omar

Benny und Omar

Titel: Benny und Omar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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-Meter hohen Decke. Der Fußboden war mit verschiedenen Teppichbodenresten bedeckt. Die Muster der einzelnen Stücke verschmolzen und schichteten sich zu einem verwirrenden Farbspiel mit atemberaubender Wirkung. Wenn Ma das sehen würde, wollte sie es wahrscheinlich gleich rahmen lassen. Die Wände und die Decke waren mit stabilen Kartons verkleidet, die völlig verbeult waren, damit sie in die Ecken passten. Der Typ hatte sogar Elektrogeräte herumstehen. Es gab einen kleinen Kühlschrank, der lauter brummte als die Klimaanlage im Haus der Shaws, und in der Ecke stand ein Fernseher mit einem Videorekorder darauf. Benny hatte den leisen Verdacht, dass er wusste, woher der Strom für diesen Haushalt stammte.
    Es war klar, dass die Hütte das Zuhause des tunesischen Jungen war und nicht nur ein Sonnenschutz. In einer Ecke lag eine schmale Matratze unter einem Berg von Decken und prächtigen Kissen. Und dort auf dem obersten Kissen prangte wie eine wertvolle Perle der dreckige alte Tennisball. Benny spürte, wie seine Männlichkeit wieder in ihn zurückströmte.
    »Hab ich dich!«, zischte er triumphierend und stopfte den Ball unter sein T-Shirt. Jetzt musste er nur noch zur Mauer zurückrennen, dann war er wieder in Sicherheit. Ehrlich gesagt fühlte er sich ein bisschen schuftig, weil er in ein fremdes Haus eingedrungen war. Und vielleicht war der Junge ja der Auserwählte irgendeiner fundamentalistischen Sekte und zettelte einen Glaubenskrieg an. Wenn er Pech hatte, löste er ein landesweites Blutbad aus. Dad würde ihm den Hosenboden stramm ziehen, das war sicher.
    Er schob sich hinaus wie ein Hund, der sich nach einem Kampf zurückzieht. Zu schade, dass er nicht wie James Bond eine Visitenkarte hinterlassen konnte. Das würde diesen kleinen Tunesier lehren, sich nicht an einem Yellowbelly aus Wexford zu vergreifen.
    Diese mutigen Gedanken lösten sich allesamt in Luft auf, als der Motor eines nahenden Fahrzeugs zu hören war. Er klang wie die Kreuzung zwischen einem Rasenmäher und einer wütenden Wespe. Benny wusste sofort, dass es eines dieser Mopeds war. Er stolperte hinaus ins Sonnenlicht und sah, dass das kleine Motorrad von einem Schaf gesteuert wurde! Das Schaf schaute ebenso überrascht drein wie er. Aber dann entdeckte Benny zwei schmutzige braune Hände, die aus den Achseln des Tiers hervorragten. Das hilflose Tier war nur Beifahrer und sollte sich zu der Tierschau am Straßenrand hinzugesellen.
    Benny rappelte sich auf und taxierte seine Situation in Sekundenschnelle. Er war dabei erwischt worden, wie er das Haus des Tunesiers verließ. Zu Hause im Büro des Schuldirektors könnte er sich vielleicht irgendwie herausreden, aber hier in Afrika hatte er schlechte Karten. Die zivilisierte Möglichkeit, nämlich zu lügen, dass sich die Balken biegen, um Ärger zu vermeiden, bot sich einfach nicht an. Es gab nur ihn, den Tunesier und die Mauer. Er konnte einen Ausfall in ihre Richtung machen oder seinen Mann stehen und sich mit dem Feind prügeln. Das Schaf gab den Ausschlag: Benny nahm die Mauer.
    Der Tunesier warf seine blökende Ladung ab und gab Gas. In einer Staubwolke schlingerte das Moped auf Benny zu. Benny sprintete vornübergebeugt los und atmete automatisch flacher. Der tunesische Junge duckte sich mit zusammengekniffenen Lippen tief über den Lenker. Vor dem Absprung verlängerte Benny seine Schritte. Eins, zwei, drei und Sprung. Aber er hatte nicht mit dem Truthahn gerechnet.
    Der Vogel tauchte hinter einem struppigen Busch auf. Benny machte einen Satz, um auszuweichen, aber der Truthahn ebenfalls. Sie stießen in einer Wolke aus Federn und verrenkten Gliedern zusammen. Der Vogel konnte ein paar gute Bisse platzieren, aber Benny revanchierte sich mit einem netten Schlag gegen den Kopf. Trotz der Rauferei hatte Benny kaum an Boden verloren. Schließlich war er daran gewöhnt, dass große gefährliche Verteidiger ihn von der Seite angriffen.
    »Ich habe schon Truthähne gegessen und die waren größer als du«, höhnte er, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Das Jaulen des Motors wurde lauter. Aufspritzende Steinchen und Dreck trafen Benny an den Beinen. Der tunesische Junge schrie ihn jetzt an. Empörtes Gebrüll. Es war eine Frage von Zentimetern, aber Benny war sich auf einmal ganz sicher, dass er es schaffen würde. Er sprang. Die Lenkergriffe des Mopeds streiften seine Fersen. Die Stirn des Tunesiers schlug gegen seinen Schläger. Bennys kräftige Finger bekamen die Mauerkrone zu fassen.

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