Benny und Omar
für die Gelegenheit, hier leben zu dürfen.«
Das klang ein wenig auswendig gelernt.
»Du bist dran, Bernard.«
Benny holte Luft. »Benny Shaw. Zwölf. Irisch. Ein Bruder. Hurling.«
»Gut. Hast du vielleicht Fragen an deine neuen Klassenkameraden?«
»Ich glaube nicht.«
»Aber ich habe eine Frage an dich, Benny. Warum benimmst du dich so komisch.«
Benny musterte die aufmerksamen Gesichter. Man musste sie mit einer harmlosen Allerweltswahrheit füttern. Mit irgendwas, nach dem Harmony mit ihrem Psychologiediplom geradezu lechzte.
»Es ist das … äh«, er bemühte sich, den Fachausdruck zu finden, »das Trauma der Umsiedelung.«
Harmony legte den Arm um ihn. »Alle Kinder hier haben das mitgemacht. Du lässt deine Freunde zurück, deine Schule. Es ist noch einmal so, als ob du dem Bauch deiner Mutter entrissen wirst.«
Benny zuckte zusammen. So hatte er die ganze Sache noch gar nicht betrachtet.
»Es tut weh, Benny. Lass es raus.«
Sie hatte Recht. Es tat weh!
»Hier ist alles so anders. In St. Jerome, in meiner alten Schule, gab es Prügeleien und Schüler, die rauchten, und Christian Brothers. Die schlugen einem die Hucke voll, so schnell konnte man gar nicht gucken.«
Die Schüler rissen die Augen auf. Das war ja entsetzlich!
Benny hatte sie. Er ging aufs Ganze. »Wir hatten keinen Pool und kein Basketballfeld. Und wir dachten nicht im Traum daran, unsere Lehrer beim Vornamen zu nennen. Der Direktor hat uns im Geräteraum heimlich verprügelt. Es gab üble Spiele gegen die anderen Schulen und die Jungs aus den höheren Klassen feierten am Wochenende Partys mit Apfelwein …«
Benny hielt inne. Sogar Harmony hatte es die Sprache verschlagen und sie war in Beirut gewesen.
Benny schniefte geräuschvoll. »Das alles fehlt mir.«
Nach der Schule schnappte Benny sich seinen Schläger und ging ein bisschen üben. Um wieder zu sich zu kommen. Der gute Gama bewachte das Spielfeld. Die untergehende Sonne zauberte eine glänzende Kappe auf seinen kahlen Kopf.
»Nur zu, du großer glatzköpfiger Idiot«, sagte Benny im Tonfall einer Begrüßung. Der Wachmann antwortete mit komplizierten Handbewegungen, die – jede Wette – nicht freundlich gemeint waren. Weil das Spielfeld bewacht wurde, musste Benny eine andere freie Fläche finden, wo er ein paar Bälle schlagen konnte.
Oben am Pool hatten sie offenbar viel zu lachen. Georgies Quieken schnitt durch die Luft. Er trieb es wirklich auf die Spitze mit dem Niedlichsein.
Benny fühlte sich wie ein einsamer Wolf und machte sich beleidigt auf die Suche nach dem Schwarzen Loch von Marhaba. Er wusste, dass er es gefunden hatte, als Gama ihm nicht mehr folgte. Offenbar war es egal, was er in diesem Höllenloch anstellte. Der ganze Platz war übersät mit Bauschutt: rote Hohlblockbausteine, Zementpfützen und verbogene Stahlträger, die wie Roboterbäume aus dem Boden ragten. Die Bauarbeiter hatten den Boden jedes Hälmchens beraubt, sodass Benny es wahrscheinlich sogar umgehen konnte, von irgendwelchem Getier gebissen zu werden. Das Beste war jedoch, dass Benny vom Weg aus nicht gesehen werden konnte, weil der Platz von der Squashhalle verdeckt wurde.
An der Mauer stand ein altes Fass. Zielschießen. Benny warf seinen Tennisball bis in Augenhöhe in die Luft und schlug ihn schräg von unten kommend in Richtung Fass. Der Ball beschrieb surrend einen flachen Bogen und knallte gegen das Fass. Rostsplitter spritzten nach allen Seiten wie ein Schwarm aufgeschreckter Krähen. Guter Schuss, aber schlechte Idee. Benny hätte wissen müssen, dass sich die einzige Flüssigkeit weit und breit im Bauch dieses Fasses befand. Der Ball war getränkt mit einer faulig riechenden schmierigen Brühe. Benny schleuderte ihn ein paarmal gegen die Mauer. Grüne Flecken zeugten von den Treffern.
Etwas verschwand eilig hinter einer leeren Farbdose. Benny sah gerade genug von dem Schwanz, um zu erkennen, dass es ein Skorpion war. Er stieß mit dem Schläger gegen die Dose. Der Skorpion machte ein paar Schritte zur Seite und lugte hinter der Dose hervor: Ein ekliger kleiner Kerl mit glänzenden Knopfaugen. Der riesige Stachel bog sich über seinen Kopf.
Sie musterten einander. Der alte Knabe wirkte nicht sehr furchtsam. Dabei war er kaum größer als die Krabben, die Benny zu Hause am Strand fing. Aber es war wohl besser, kein Risiko einzugehen. Er nahm den Schläger weit unten und verpasste dem unglücklichen Skorpion einen heftigen Schlag auf den krustigen Kopf. Das Insekt
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