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Benny und Omar

Benny und Omar

Titel: Benny und Omar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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hinaus. Nichts außer der Straßenbeleuchtung und gigantischen Motten.
    »Bernard! Bernard? Bist du da irgendwo?« Georgie versuchte, besorgt zu klingen, nicht weinerlich, aber das war gar nicht einfach.
    »Benny? Hör schon auf. Das ist nicht lustig! Ich habe Angst!«
    Vielleicht war Benny bewusstlos. Georgie konnte es direkt vor sich sehen. Sein großer Bruder mit einem dicken Tropfen Blut, der an seinem Wirbel hing. Vielleicht sollte er hinausklettern und nachschauen.
    Das war ein guter Plan, nur leider besaß Georgie die Hand-Augen-Koordination eines zwei Wochen alten Babys. Sein Gehirn befahl ihm, sein Bein über den Aluminiumsims zu legen. Leider löste sich dieser Befehl auf dem Weg zu den Nervenenden in seine Bestandteile auf. Als das Kommando ›Fuß heben‹ Georgies Turnschuhe erreicht hatte, waren schon einige Zentimeter verloren.
    Statt ungestreift die Fensteröffnung zu passieren, blieb der Turnschuh am Sims hängen. Georgie flog durch das Fenster, aber sein Fuß blieb zurück. Für Benny und die meisten anderen Kinder wäre eine solche Situation kein Problem: Eine schnelle Rolle vorwärts und ein aufgeschürfter Ellbogen – damit wäre die Sache erledigt. Unglücklicherweise verteilt die Natur ihre Gaben nicht gleichmäßig und Georgie war der Schauspieler der Familie, nicht der Sportler. Statt sich zu einer Kugel zusammenzurollen, flog er wie die Comicfigur Wiley, der Koyote, von einer Klippe: Kinn nach vorn gereckt und die Arme nutzlos herumschlenkernd.
    Es war nicht Georgies Abend. Der gepflasterte Streifen, der um das Haus herum verlief, war nur etwa vierzig Zentimeter breit, aber Georgie schaffte es trotzdem, ihn mit dem Kopf zu treffen.
     
    Benny sagte seine m’asslamas und nahm Anlauf auf die Mauer. Es machte keinen Sinn, noch länger hier zu bleiben. Omar war nicht in der Stimmung zu reden. Er war nicht unhöflich, sondern nur sehr still und mit seinen Gedanken irgendwo anders.
    Er sprintete an der Grenzmauer entlang. Ein paar Wachmänner standen unter der Straßenlaterne. Aber keine Spur von Mohamed. Wahrscheinlich war er unterwegs und verfolgte ein paar Unschuldige.
    Benny schlich um die Hausecke zu seinem Fenster. Es stand immer noch offen, wie er es zurückgelassen hatte. Er legte die Hände auf den Sims, stieß sich ab und flog in das Zimmer. Wie eine Katze landete er auf dem Bett. Ist es nicht toll, ein Sportler zu sein!
    Im Fernsehen schrie jemand. Hörte sich an wie das Quieken eines Schweins. Georgie schaute sich doch nicht etwa einen Horrorfilm an?
    Pat Shaw stand in der Tür, eine schwarze Gestalt in einem weißen Rahmen. »Da bist du ja!«, donnerte er. Seine Stimme klang ein wenig rau. Sie wies Zacken auf wie der Rand einer Blechbüchse, an dem man sich immer den Daumen aufreißt.
    Ich bin erledigt, dachte Benny. Und er hatte Recht. Dad packte ihn am Genick und zerrte ihn hinaus bis vor die Badezimmertür.
    »Hörst du das? Ja?«
    Das Gequieke kam nicht aus dem Fernseher, es kam aus dem Bad. Es war George. Benny hatte das Gefühl, als tobe eine ganze Horde von Affen durch seine Innereien.
    »Das ist dein kleiner Bruder, der da weint.« Benny spürte den Atem seines Vaters im Ohr. »Und weißt du, warum er weint? Na?«
    Benny wusste es nicht.
    »Na?«
    »Nein, Dad, ich –«
    »Versuche nicht, mich zum Narren zu halten! Dein neunjähriger Bruder weint sich die Augen aus dem Kopf, weil er blutet.«
    »Ich weiß nicht –«
    »Sei still! Er blutet, weil er sich verletzt hat, als er aus dem Fenster fiel, während du auf ihn aufpassen solltest. Der arme Georgie hatte Angst, dass dir etwas passiert sein könnte! Kannst du dir das vorstellen? Ich hätte ihm sagen können, dass es dir großartig geht. Und weißt du, woher ich das weiß? Na?«
    Stille.
    »Na, weißt du es?«
    Benny schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß es, weil ich dich gesehen habe, in der Stadt, mit deinem Kumpel Omar!«
    Aus dem Badezimmer drang ein Aufjaulen. Pat Shaws Finger umklammerten schmerzvoll Bennys Schulter. »Wie konntest du nur? Wie konntest du nur?«
    Benny wusste es nicht. Er konnte nicht denken. Er stand unter Schock.
    »Ihn einfach allein lassen! Er hätte getötet werden können.«
    »Ich habe nur –«
    »Still jetzt! Halt die Klappe, Benny! Keine schlauen Sprüche! Du willst ein Bruder sein? Du bist kein Bruder. Oder ein Sohn. Du gehörst nicht zur Familie. Denn die Menschen einer Familie kümmern sich umeinander.«
    Das wurde langsam unheimlich. Benny konnte sich nicht erinnern, seinen Dad jemals so

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