Benny und Omar
bin jetzt zu müde, um nachzudenken. Aber morgen früh werde ich dir deinen neuen Tagesplan geben.«
Gut, dachte Benny. Im Augenblick hatte er nichts dagegen, auf Trab gehalten zu werden. »Darf ich zu Bett gehen, Dad?«
Pat Shaw zuckte die Achseln. »Mach, was du willst, Bernard. Es ist mir egal.«
Benny hätte alles andere lieber gehört als diese vier Worte.
Harte Arbeit
Man sollte nicht glauben, dass man nach einem solchen Abend schlafen kann. Man sollte meinen, dass sich die Gedanken im Kopf überschlugen. Aber Benny schlief gut. Er träumte, die ganze Familie säße um einen langen Tisch beim Abendessen und aus irgendeinem Grund verspürte er das dringende Bedürfnis, sich davonzustehlen und mit jemandem zu reden. Der Traum dauerte nicht lange, denn Dad weckte ihn bei Anbruch der Dämmerung. Er riss seinem Sohn die Decke weg.
»Aufstehen«, bellte er.
Benny suchte nach einem Hinweis darauf, dass sich die Stimmung Pat Shaws ein wenig verbessert hatte, aber wenn das so war, dann ließ er sich nichts anmerken. Auf dem Tisch lag ein Blatt Papier.
»Das ist dein neuer Tagesplan«, sagte Dad. »Du hältst dich haargenau daran, sonst wirst du es büßen.« Und das war’s. Pat Shaw ging wieder zurück ins Bett und sein ältester Sohn brütete über seinen Pflichten.
Montag bis Freitag waren minutiös durchgeplant:
7 Uhr – Aufstehen. Waschen. Frühstücken.
7 Uhr 15 – Spülmaschine ausräumen. Schulbrote schmieren.
7 Uhr 45 – Schule.
15 Uhr – Pause.
15 Uhr 15 – Hausaufgaben.
18 Uhr – Abendessen.
18 Uhr 15 – Müll rausbringen. Spülmaschine einräumen.
19 Uhr bis 21 Uhr – Lernen.
21 Uhr 15 – Schlafen.
Benny sah erstaunt auf. Das war ziemlich heftig. Kein Platz für Hurling, nicht einmal für Fernsehen. Er war früher schon aus dem Verkehr gezogen worden, aber immer hatte es bei Bestrafungen einen zeitlichen Rahmen gegeben. Das hier aber sah aus, als würde es sich endlos hinziehen. Er las weiter:
Samstag/Sonntag:
7 Uhr – Wecken.
7 Uhr 30 – Sport. Sechs Runden.
8 Uhr 30 – Spiegeleier für die Familie braten.
9 Uhr – Frühstück.
10 Uhr – Aufräumen.
10 Uhr 30 bis 14 Uhr 30 – Hausarbeit.
(Hausarbeit? Das klang unheimlich.)
14 Uhr 30 bis 15 Uhr – Mittagessen.
15 Uhr bis 16 Uhr – Aufräumen.
16 Uhr bis 19 Uhr – Lernen.
19 Uhr bis 20 Uhr 30 – Freizeit.
20 Uhr 30 – Schlafen.
Das war lächerlich. Wie konnte er sich an so etwas halten? Das war ja wie im Gefängnis oder so. Und es ging noch weiter:
Allgemeine Regeln:
1 . Keine Verbrüderung mit Omar.
2 . Allen Familienmitgliedern wird immer mit Respekt begegnet.
3 . Bei jeder Klage oder Weigerung wird die Bestrafung um eine Woche verlängert.
Eine Woche länger? Diese Diktatur sollte also länger als eine Woche dauern? Alle schienen völlig übertrieben zu reagieren, wenigstens ein kleines bisschen. Er hatte schließlich niemanden ermordet, sondern hatte sich nur für ein paar Stunden davongeschlichen. Er kannte Jungs, die rauchten und tranken und jede Nacht die Regenrinne hinterm Haus hinunterkletterten. Er verdiente allerhöchstens eine ordentliche Strafpredigt. Na ja, vielleicht auch eine leichte Strafe.
»Benny!« Der Schrei riss ihn aus seiner kleinen Vision.
»Ja, Dad?«
»Hör bloß auf mit deinem ›ja Dad‹, mein lieber Benny! Du schuldest mir sechs Runden vor dem Frühstück!«
Seufzend band Benny seine Laufschuhe zu.
Und so treten wir in eine nicht so goldene Phase im jungen Leben des Benny Shaw ein. Wenn man eine Hintergrundmusik zu diesem Teil aussuchen müsste, würde man etwas durch und durch Düsteres und Trauriges nehmen. Vielleicht ›Poor Lonely Me‹, gesungen von einem Country- und Western-Star. Aufstehen, arbeiten, essen, schlafen. Das war alles. Und das Schlimmste an all den Arbeiten war, dass es ausschließlich Dinge waren, die eigentlich Khayssis Leute erledigen sollten. Zwei Männer in blauen Overalls kamen, um auf der rückwärtigen Terrasse Unkraut zu jäten, und was fanden sie vor – den ungezogenen Benny auf allen vieren. Die beiden setzten sich also in die Gartenstühle, zündeten ihre Zigaretten an und gaben Kommentare ab. Außerdem war es eine grausame Arbeit, dieses Unkrautjäten. Kein Ende abzusehen. Vornübergebeugt, die stechende Sonne im Genick und die Fingerknöchel aufgeschürft durch die Steinplatten. Aber das Schlimmste war, sich das Gekicher der beiden anzuhören.
Es herrscht immer große Freude, wenn ein
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