Benny und Omar
Klugscheißer seine verdiente Strafe bekommt. Nicht ein Sünder im Dorf hatte Mitleid mit Benny. Ganz stimmte das allerdings nicht. Zwei Menschen gab es, denen der kleine irische Junge Leid tat, wenn er das Bermudagras herauszog oder den Rasen bei den Junggesellenapartments mähte. Einer von ihnen war George. Er brachte seinem Bruder in den Pausen Cola. Aber wie Benny nun einmal war, dachte er, der Schleimer käme aus Schadenfreude, und nahm die Erfrischungen deshalb nur widerwillig und ohne ein Wort des Dankes. Der andere war, kaum zu glauben, Grace. Sie spähte durch die Stores in ihrem Zimmer und beobachtete den Gefangenen Shaw bei der Arbeit, die ihm für diesen Tag aufgetragen worden war.
Talal Khayssi schickte eine Liste mit Arbeiten, die Benny übernehmen konnte. Vielen Dank, Talal! Meistens musste er Unkraut jäten. Seine Lieblingsbeschäftigung. Am Wochenende wurde Benny an andere Familien verliehen, um ihre Terrassen von Unkraut zu befreien. Einige hatten den Anstand, sich zu schämen, allerdings nur wenige.
So ging das wochenlang. Es war eher ein neues Leben als eine Strafe. Bennys Eltern hatten keine Lust mehr, darauf zu warten, dass Benny von sich aus ein guter Mensch wurde. Jetzt ließen sie ihm keine andere Wahl. Einmal jedoch brachte er den Vorsatz seiner Eltern fast ins Wanken. Er brachte sie so weit, dass er ihnen Leid tat. Aber dann musste er natürlich alles wieder vermasseln.
Am dritten Sonntag war es etwas kühler geworden, aber die Sonne hatte immer noch viel mehr Kraft, als sie zu Hause jemals haben würde.
Benny war mit der unwürdigen Aufgabe fortgeschickt worden, nach dem Sandsturm die Dachrinnen zu säubern. Er machte sich also mit Leiter und Bürste auf den Weg und bat die Bewohner, ihn auf ihre Dächer zu lassen. Als ob sie ihm einen Gefallen täten! Benny war ein echter Ire und beschloss, die Arbeit › à la Farmer‹ zu erledigen: Hemd um die Taille gebunden, Rücken der Sonne zugewandt.
Das Gemeine am Sonnenbrand ist, dass man ihn erst spürt, wenn es zu spät ist. Man denkt, man sei darüber erhaben. Man glaubt, man habe genug Sonnenbräune als Grundlage, um geschützt zu sein. Aber sobald man sich ins Bett legt, beginnt die Qual.
Benny lag an diesem Abend schon um halb acht im Bett. Er war nach einem Tag auf den Dächern völlig fertig.
Kaum war er am Einschlafen, machte sich der Sonnenbrand bemerkbar. Benny kam sich vor wie ein Öl-Radiator. Ein dumpfer Schmerz breitete sich über seinen Rücken und seine Beine aus. Zuerst war es gar nicht so schlimm. Aber allmählich wurde aus der lästigen Unannehmlichkeit ein quälender Schmerz. Der Schmerz drang bis in die Knochen vor und schnitt tief in alle Falten und Winkel. Das Laken fühlte sich an wie Sandpapier. Keuchend zog er es weg. Aber auch das half nicht.
Jetzt war es die Luft, die ihm schwer und rau vorkam. Er stellte sich vor, wie die Luftströme an seinem Nacken entlangkratzten. Er träumte von eiskaltem Wasser und lindernder Salbe. Aber mehr als von allem anderen träumte er von ein paar mitfühlenden Worten von seiner Mutter. Wie damals, als er sich an der St-Christopher-Medaille, die sie ihm in den Helm genäht hatte, den Kopf blutig geschlagen hatte oder als er mit dem Fuß in die Fahrradspeichen geraten und mit den Ellbogen die Clonard Road entlanggeschlittert war. Aber heute würde er wohl kein einziges sanftes Wort zu hören bekommen. Nicht von diesen steinharten Eltern.
Wahrscheinlich hatte er im Schlaf ein wenig geschluchzt, denn seine Mam kam herein, um nach ihm zu sehen. Sogar in dem schwachen Lichtschein, der vom Flur hereinfiel, glühte sein Rücken wie ein Ewiges Licht. Benny wachte auf und hörte, wie seine Ma erschrocken die Luft einsog.
»Pat«, wisperte sie. »Pat, komm mal her und schau dir das an.«
Dad kam herein und murmelte vor sich hin. »Was ist …« Er hielt inne. »Mein Gott. Er ist ja rot wie eine Tomate.«
»Ich sehe es. Ich hole wohl besser mal die Salbe.«
Benny sah die Schatten an der Wand. Seine Ma verschwand. Der Schatten Dad drückte die Haare an seinem Wirbel platt, die nach allen Richtungen abstanden. Das Fußende des Bettes senkte sich karrend.
»Ach Benny«, seufzte sein Vater. »Woher soll ich wissen, was bei dir hilft? Vielleicht ist das zu viel. Vielleicht bist du gestraft genug.«
Ma kam zurück. »Rück mal ein Stück, Liebling.« Das Bett hüpfte wieder. Und Benny spürte, wie sich die Salbe kühl auf seinem Rücken verteilte. Er schnappte nach Luft. »Schh, Bernard.
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