Benny und Omar
Jahren. Wenn jemand von Mothercare gesehen hätte, was Omar dann tat, hätte er auf der Stelle versucht, ihn für die Entwicklungsabteilung zu gewinnen. Er zog den EuroGas-Overall aus, den er sich irgendwie besorgt hatte, schob Kaheena hinein und verknotete Arme und Beine mit einem Hausfrauenknoten. Dann schloss er den Reißverschluss, hob sie hoch und zwei Handgriffe später hing Kaheena an ihrem Bruder wie das Junge eines merkwürdigen Beuteltiers.
»Shuf« , sagte er und grinste das erste Mal seit einer Ewigkeit.
»Spitze!«
»Beam uns rauf, Scotty.«
Benny nickte. »Wird Zeit, dass wir verschwinden.«
Sie hatten auf keinen Fall die Zeit, sich durch den Fluchttunnel hinauszumanövrieren. Deshalb sprang Benny aufs Bett und öffnete das Fenster. »Komm. Wir gehen.«
Omar hatte auch mit seinem neuen Passagier nichts von seiner Behändigkeit eingebüßt. Er war auf dem Bett und aus dem Fenster, ohne den Rahmen auch nur zu berühren. Benny folgte ihm.
»Benny.«
»Was?«
»Benny!«
Benny? Omar sagte nie Benny.
Grace stand da, die Arme in die Hüften gestützt und sah ihn keineswegs freundlich an. »Wir hatten eine Abmachung.«
»Ich weiß.« Für so etwas war jetzt keine Zeit.
»Du willst also einfach mit diesem Kerl da abhauen?«
»Hier läuft eine ganze Menge ab, wovon du keine Ahnung hast, Grace.«
Grace zeigte mit ausgestrecktem Finger auf ihn. »Ich habe gewusst, dass du lügst! Ich habe es gewusst! Ich hab’s daran gesehen, wie deine Augenbrauen gezuckt haben. Und du hast auf deine Füße geschaut.«
»Meine Augenbrauen haben gezuckt? Außerdem haue ich nicht ab. Ich gehe bloß bis zur Mauer. Bin gleich wieder da.«
»Das ist dann auch egal. Dein Platz wird weg sein.« Sie warf Omar einen bösen Blick zu. »Was ist denn mit dem? Ist er schwanger?«
»Nein, das ist seine Schwester, Kaheena.«
»Seine was?«
»Das ist eine lange Geschichte. Und jetzt haben wir keine Zeit.«
»Asslama« , sagte Omar. Er versuchte eine kleine Verbeugung und landete beinahe flach auf dem Gesicht. »Gestatten Bond. James Bond Omar.«
Grace kicherte. »Für einen Vandalen ist er ja recht höflich.«
»Binny, feesa! «
»Ich weiß. Ich komme.«
In der Ferne hörten sie Geschrei. » Sahbee! Let’s rock and roll. Hi ho Silver!« Omar konnte nicht mehr warten. Er machte sich davon und stürmte in Richtung Squashhalle.
»Grace. Ich muss los.«
»Warum? Er rennt auch nicht schneller, wenn du dabei bist.«
Benny sprintete los und schrie über die Schulter: »Die Mauer! Mit der Kleinen schafft er die Mauer nicht.«
»Mit was?«
»Mit dem Mädchen!« Er rannte davon und murmelte vor sich hin: »Herrgott noch mal. Man sollte doch meinen, dass sogar die Schotten richtig schwätzen können.«
»Du sprichst nicht richtig«, sage Grace.
Benny fiel vor Schreck beinahe hin. Grace hielt mit ihm Schritt. Völlig problemlos. »Es heißt spre-chen, nicht schwätzen.«
Das war peinlich. Die Jungs zu Hause würden sich vor Lachen ausschütten! Ein Mädchen hielt mit ihm mit. Und dann redete es zugleich auch noch.
Das Gelände in Marhaba war flach und offen. Es war, als würden sie durch Holland rennen. Von allen Seiten stürmten Wachmänner herbei. In ihren blauen Overalls sahen sie aus wie eiserne Feilspäne. Und Omar war der Magnet. Samir fuhr mit seinem Pick-up die Ringstraße entlang. Zwei fußfaule Wachmänner hatten sich auf der Ladefläche mitnehmen lassen. Als Samir über die erste Bodenwelle raste, dämmerte ihnen, dass das vielleicht nicht der beste Einfall ihres Lebens gewesen war.
Von der anderen Seite kamen Mohamed Gama und seine Kohorten, die alle in Walkie-Talkies brüllten. Benny fragte sich, mit wem sie sprachen. Sie waren doch allesamt auf den Beinen. Die Halle! In der Halle saß auch immer einer. Wahrscheinlich versuchten sie, ihn zu wecken.
Omar gab sein Bestes, aber wie lange konnte man so schnell rennen, wenn einem ein Mühlstein am Hals hing? Benny kam jetzt richtig in Fahrt. Er grub seine Reeboks so fest er konnte in den Kies. Grace hielt Schritt für Schritt mit. Sie packten Omar unter den Achseln.
»Warp zwei«, knurrte Benny.
Omar nickte nur. Sprechen konnte er nicht. Der Kühlergrill des Pick-up war jetzt ihnen gegenüber. Er wirkte auf sie wie die stählernen Schneiden großer Beile, die gleich auf sie niedersausen würden. Samirs Gesichtszüge hinter dem Lenkrad wurden sichtbar. Benny konnte alle Zähne des Direktors erkennen. Das war wahrscheinlich kein gutes Zeichen.
Hinter ihnen
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