Bennys Blutgericht
der geringen Entfernung gefährlich werden konnte.
Mein Freund traf!
Die Kugel erwischte die Schulter des pensionierten Richters. Er bekam einen harten Schlag. Hätte er nicht gesessen und eine Stütze im Rücken gehabt, er wäre durch die Aufprallwucht aus dem Rollstuhl geschleudert worden.
So aber blieb er sitzen. Doch die rechte Hand mit der Waffe wurde ebenso schlaff wie der Arm, der wie ein altes Stück Holz nach unten fiel. Der Revolver rutschte ihm aus den Fingern und blieb neben dem Rollstuhl auf dem Boden liegen. Benson hatte auch nicht mehr die Kraft, den Rollstuhl zu bewegen. Er fuhr noch ein Stück auf mich zu, um dann mitten in der Bewegung stehenzubleiben.
Der ehemalige Richter bewegte sich nicht mehr. Er hing schlaff auf seinem fahrbaren Stuhl und jammerte vor sich hin. Die Kugel steckte in seiner rechten Schulter fest. Aus der Wunde war nur wenig Blut geflossen. Aber der harte Mann sah sehr bleich aus. Seine Lippen zitterten. Er starrte uns an. Auf seinem Gesicht lag eine Gänsehaut, und als wir vor ihm stehenblieben, da fragte er: »Warum habt ihr mich nicht erschossen, verdammt?«
»Warum sollten wir?« fragte Suko zurück.
»Weil für mich das Leben keinen Sinn mehr hat. Ich habe mich überschätzt, verdammt. Ich hätte mich schon längst selbst umlegen sollen. Aber das brachte ich wegen meines Sohnes nicht fertig. Ich mußte ihn noch unterstützen. Das ist jetzt vorbei – leider. Nun muß Benny sehen, wie er allein zurechtkommt.«
Ich rief bereits einen Arzt an, der sich um Benson kümmern sollte. Suko sprach mit dem ehemaligen Richter. »Sie werden nicht gewinnen können. Nicht Sie und auch nicht Ihr Sohn. Das sollte Ihnen doch klar sein.«
»Noch ist es nicht beendet.«
»Glauben Sie, daß noch weitere Morde geschehen werden?«
»Ich hoffe es!« flüsterte er. »Ich hoffe es sehr. Sie haben es nicht anders verdient.«
Suko konnte über soviel Sturheit nur den Kopf schütteln.
Er sah, wie ich ihm zunickte.
»Der Notarzt wird gleich hier sein«, meldete ich.
»Okay.«
Ich wandte mich an Dr. Donatus Benson. Er hielt den Kopf jetzt gesenkt und stierte vor sich hin. Sein rechter Arm hing wie ein steifes Stück Holz an seinem Körper herab. Die Hand lag auf dem Oberschenkel. Damit stützte er ihn ab.
»Ihr Plan wird sich nicht erfüllen, Mr. Benson. Glauben Sie mir. Ihr Sohn kommt damit nicht durch.«
»Irrtum, Sinclair. Er schafft es!«
»Nein, denn wir werden ihn jagen. Zwei Tote reichen. Wir werden ihn finden.« Er hob mühsam den Kopf. Sein Gesicht war mittlerweile schweißnaß geworden, aber es drang kein Schmerzlaut über seine Lippen. Er hatte sich voll in der Gewalt.
»Arbeiten Sie mit uns zusammen, Dr. Benson!« beschwor ich ihn. »Sorgen Sie mit dafür, daß nicht noch mehr Blut fließt und es weitere Tote gibt.«
Er schaute mich an. Er lächelte sogar und flüsterte mir zu: »Keine Chance, Sinclair, keine Chance…« Danach erblaßte er noch stärker und sackte bewußtlos in seinem Rollstuhl zusammen.
Suko schüttelte den Kopf. »Kannst du das begreifen, John? Geht das in deinen Kopf?«
»Nein. Er ist total verbohrt. Er hat sich da in etwas hineingerannt, das jegliche Objektivität hinweggespült hat.«
»Vergiß nicht, daß seine Frau bei einem Anschlag ums Leben kam und er gelähmt wurde.«
»Ich weiß. Es ist auch schlimm. Aber ist das ein Grund, um andere Menschen zu töten?«
»Nicht für mich. Er weiß ja nicht genau, wer den Anschlag auf ihn befohlen hat. Wahrscheinlich einer derjenigen Personen, die wir hier als Puppen gesehen haben. Wir müßten sie alle unter Polizeischutz stellen, und ich frage mich, ob auch nur einer von ihnen damit einverstanden wäre.«
»Wahrscheinlich niemand«, sagte ich leise.
»Eben.«
Ich holte die Puppe hervor. »Ich weiß nicht, ob ich es richtig mache, aber ich denke, daß wir diese Amy Baker besuchen sollten.«
»Das wollte ich vorschlagen. Dann brauchen wir nur Glück, daß es die richtige ist.«
Wir mußten noch das Eintreffen des Notarztes abwarten. Es dauerte nicht mal eine Minute, bis der Wagen eintraf und stoppte.
Den Arzt kannte ich nicht. Er war ein noch junger Mann mit Ringen im Ohr und einem kleinen Zopf im Nacken. Mit wenigen Sätzen hatte ich ihm die Lage geschildert. Er und seine Helfer taten das Nötige. Der ehemalige Richter war noch nicht aus seiner Bewußtlosigkeit erwacht.
Ich hatte mich hinter den Schreibtisch gesetzt. Eigentlich hatte ich Glenda Perkins anrufen wollen, aber da war mein Blick auf
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