Benson, Amber - Jenseits GmbH 2 - Einmal Tod ist nicht genug
Hatschepsuts Tochter gesehen hatte. Was bedeutete, dass man mich nirgendwo hingeschafft hatte: Ich befand mich noch an genau der Stelle, an der ich das Bewusstsein verloren hatte.
Ich musste aufstehen. Ich wollte nicht, aber vom Verstand her wusste ich, dass ich mich aufraffen musste. Die Unsterblichkeit mochte ihre Vorzüge haben, doch mit einem Haufen Mumien in einem Grab festzusitzen, bis Howard Carter oder jemand in der Art Tausende von Jahren später auf mich stoßen würde, klang etwa so vielversprechend wie die Vorstellung, sich die Fingernägel ausreißen zu lassen.
Ich biss die Zähne zusammen, wobei ich erleichtert feststellte, dass sie scheinbar noch alle an ihrem Platz waren, und hob den Kopf. Das hatte mehr entsetzliche Qualen zur Folge, aber ich schluckte den Schmerz, so gut es ging, herunter und stemmte mich mit Ellbogen und Händen in eine sitzende Position hoch. Der Raum drehte sich um mich wie ein Karussell, nur, dass es hier keine hübschen, bunt angemalten Pferdchen gab. Stattdessen fuhren die Hieroglyphen an den Wänden mit und tanzten am Rande meines Blickfeldes, während ich versuchte die Augen offen zu halten und der herannahenden Schwärze Herr zu werden.
»Oh Gott«, stöhnte ich erneut und hob die Hände an den Kopf, um das Drehen abzustellen – was absolut nichts brachte.
Ich betastete meinen Schädel, suchte nach Beulen oder Abschürfungen, fand aber nichts. Dann checkte ich meine Nase und stellte sofort fest, dass dieses Miststück sie mir gebrochen hatte. Noch schlimmer war: Meine Finger waren voller Blut, als ich die Hand aus dem Gesicht nahm – und es war nicht getrocknet. Ich rede hier von frischem, just zum Vorschein gekommenem Blut, mit vielen Klumpen und allem möglichen anderen Zeug drin.
Beinahe wäre ich an Ort und Stelle ausgetickt. Wie gesagt, ich kann Blut nicht leiden. Wenn ich welches sehe, wird mir schlecht, und ich kann nicht klar denken. Bei anderer Leute Blut ist es wenigstens nicht ganz so schlimm.
»Oh Gott, oh Gott, oh Gott …«
Langsam wurde ich hysterisch, und wenn ich mich nicht schnell beruhigte, würde ich wirklich durchdrehen.
»In Ordnung«, sagte ich mir so ruhig wie möglich. »Entspann dich einfach und tu so, als wärst du bei Barney’s!«
Allein schon das Zauberwort Barney’s half.
»Also«, murmelte ich bei mir, »es ist großer Sommerschlussverkauf, und bei deiner Steuerrückzahlung gab es doch tatsächlich einen Fehler, weshalb du gerade einen Scheck über zehntausend Dollar in der Post gefunden hast.«
Mein Atem wurde ruhiger, als ich mir vorstellte, wie ich bei Barney’s durch die Gänge schlenderte, während mein Zehntausend-Dollar-Scheck mir ein Loch in meine echte Hermes-Birkon- Handtasche brannte – die genau so aussah wie die, die Liv Tyler auf den großen Fotoseiten im In-Style -Magazin gehabt hatte.
»Und jetzt das Sahnehäubchen: die Sonnenbrillenabteilung«, gurrte ich mir zu.
Manche Frauen fahren auf Schuhe ab, andere kriegen schon bei der Erwähnung von Pashmina-Stoff große Augen, doch für mich ist der Prestige-Konsumartikel, den ich über alles liebe, die Sonnenbrille. Chanel, Dolce & Gabbana, Chloe, Prada … nennt mir einen Designer, und ich kann euch versichern, dass ich seine Sonnenbrillen schon jetzt liebe.
In meiner Fantasie stand ich in der Sonnenbrillenabteilung, während mir beim Anblick all der Schönheiten um mich herum das Wasser im Munde zusammenlief. Ich lächelte die junge Frau hinter dem Tresen an, und sie erwiderte mein Lächeln – was sie bei meinen wirklichen Barney’s-Besuchen noch nie getan hatte.
»Ich möchte alle anprobieren«, sagte ich sachlich, und das Mädchen nickte.
»Wie Sie wünschen.«
Und dann fing sie an, eine Auslage nach der anderen hervorzuziehen, und in jeder einzelnen befanden sich die köstlichsten Sonnenbrillen-Delikatessen. Als ich gerade nach einer Fendi- Brille mit großen Gläsern griff, spürte ich, wie mir jemand auf die Schulter tippte …
»Alles in Ordnung, Calliope Reaper-Jones?«
Ich blinzelte, die Sonnenbrillenabteilung verblasste, und das Gewicht der Wirklichkeit senkte sich wieder auf meine Schultern.
Senenmut hockte mit sorgenvoller Miene hinter mir auf dem Boden.
»Ja«, sagte ich … und dann fing ich an zu heulen.
Ich weiß nicht, warum ich plötzlich zu so einer dicken ollen Heulsuse geworden war. Mir war nicht mal bewusst gewesen, dass ich weinen wollte. Es passierte einfach. Senenmut schloss mich in die Arme und zog mich auf seinen
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