Benson, Amber - Jenseits GmbH 2 - Einmal Tod ist nicht genug
hässlich wäre? Tja, wenn es das war, was dieses Mädchen glaubte, dann war sie einfach eine Vollidiotin. Hyacinth war eine wunderschöne Frau, und obwohl sie wohl eher am oberen Ende ihrer Gewichtsklasse rangierte, würde niemand mit ein bisschen Hirn im Schädel sie als »fett« bezeichnen.
Als »kräftig gebaut« vielleicht, aber auf gar keinen Fall als »fett«.
Ich meine, die Frau wusste genau, wie sie ihre etwas größeren Ausmaße einkleiden musste, um zehnmal so sexy zu sein wie neun von zehn Models, die mit ihren Portfolios in den verschwitzten Händen auf der Fifth Avenue rumrennen. Im Ernst, Hy konnte einen Mann um den Finger wickeln und dazu bringen, genau das zu tun, was sie wollte.
Hyacinth hatte gewusst, dass etwas faul war an meinem »Urlaub zu Hause«, aber sie hatte es nicht genau benennen können.
Stattdessen hatte sie seit meiner Rückkehr tierisch aufgedreht und hielt mich nun seit ein paar Monaten so auf Trab, dass mein Leben – und damit auch meine Wohnung – buchstäblich in seine Einzelteile zerfiel.
Genug davon.
Als ich meine Aufmerksamkeit wieder Madame Papillon zuwandte, schaute sie mich gerade mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an, der fast mitleidig wirkte. Ich wusste nicht, ob es nur daran lag, dass ich ernsthafte Auraprobleme hatte, oder ob es sich um eine Bauchreaktion darauf handelte, wie total verdreckt meine Wohnung war.
»Ich mache das bald sauber«, sagte ich. Die Worte stahlen sich einfach so aus meinem Mund.
Madame Papillon schaute mich verständnislos an. »Deine Aura?«
Da war ich wohl nur paranoid, was die olle Wohnung angeht, dachte ich lakonisch – und glücklich.
»Kann man seine Aura säubern lassen?«, fragte ich. Vielleicht hatte ich gar kein richtiges Auraproblem, wenn ich meine Aura in die Reinigung geben konnte oder so was.
»Man kann sie reinigen«, antwortete die Alte, während ihr Blick zu dem fast nackten Bauarbeiter auf dem Teetischchen zurückwanderte. »Aber wenn jemand deine Aura verflucht, dann musst du entweder damit leben oder denjenigen dazu bringen, den Fluch zurückzunehmen. Es gibt keine Reinigung im eigentlichen Sinne.«
Ich schauderte. Es war, als könnte die Frau meine Gedanken lesen.
»Was ist mit meiner Aura los ?«, fragte ich und schluckte schwer. »Ist sie verflucht?«
Fluch hin oder her, ich hatte in letzter Zeit keine Probleme mit meiner Aura gehabt, eigentlich nie. Vielleicht konnte ich die Sache also einfach ignorieren. Verdrängung war nicht das Schlimmste auf der Welt. Viele Leute verdrängten täglich alles Mögliche, und die waren schließlich auch keine verrückten Knalltüten, oder?
»Nein, deine Aura ist nicht verflucht«, erwiderte Madame Papillon, »aber sie hat etwas Seltsames an sich. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass deine Seele mit einer anderen verschlungen ist, doch das ist eigentlich etwas, das man nur bei Zwillingen beobachtet. Und selbst dort kommt es nur in sehr seltenen Fällen vor.«
»Ein Zwilling?«, rief ich. Ich hatte schon immer ein Zwilling sein wollen! In meiner Kindheit hatte ich mich lange unvollständig gefühlt, so, als fehlte mir etwas, ohne zu wissen, was. Vielleicht war ich ein Zwilling! Vielleicht war es das, was mir fehlte?!
»Aber du bist kein Zwilling«, sagte die Alte und nahm einen Schluck Tee. Der angenehme Duft von Anis trieb mir entgegen, und ich erinnerte mich, dass sie Süßholztee zu ihren Karottenkuchen verlangt hatte, als sie am Nachmittag angerufen hatte. Offenbar hatte sie ihren eigenen Teebeutel mitgebracht.
Schlaue Dame.
»Woher willst du das wissen? Ich könnte ein Zwilling sein und es nicht mal wissen«, stammelte ich. Ich würde nicht zulassen, dass sich die Idee mit dem geheimen Zwilling einfach so verflüchtigte.
»Eine echte Seelenverflechtung ereignet sich bei der Zeugung, aber deine Aura … wurde vor Kurzem manipuliert.«
Wann genau?, fragte ich mich. Vor Kurzem im Sinne von vor ein paar Monaten? Wenn das der Fall war, war ich vielleicht doch kein Zwilling.
»Haben Tote noch eine Aura?« Ich flüsterte beinahe und versuchte mich nicht von fehlgeleiteten Hoffnungen überwältigen zu lassen.
Die Auraspezialistin hob eine Braue, aber sie konnte unmöglich wissen, woran ich dachte. Ihr müsst wissen, dass ich vor nicht allzu langer Zeit mit jemandem ineinandergeflossen bin. Wir haben unsere Seelen ineinander verschlungen. Nicht, dass die Sache mit dem Ineinanderfließen meine Idee gewesen wäre. Allein schon die Erinnerung an das
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