Benson, Amber - Jenseits GmbH 2 - Einmal Tod ist nicht genug
und dann zu Thalia. Ein besorgtes Stirnrunzeln lag auf ihrem Elfengesicht.
Meine Eltern regten sich nicht. Mein Vater schaute mich bloß mit erschöpfter, blasser Miene an. Selbst seine unbändige Löwenmähne wirkte niedergedrückt.
Thalia lachte, was kein schöner Laut war. Zum ersten Mal in meinem Leben wurde mir klar, dass ich meine Schwester immer nur auf Kosten anderer lachen gehört hatte. Es machte den Eindruck, dass das Einzige, was ihr Zeichen der Heiterkeit entlockte, Gemeinheiten und Machtfantasien waren. Mit neugierig schräg gelegtem Kopf schaute sie mich an, gespannt auf meine Reaktion auf ihre Anschuldigung. Doch diesen Köder würde ich nicht schlucken. Ich stand einfach da und wartete darauf, dass sie den Trumpf aus ihrem Armani-Ärmel zog, worum es sich auch handeln mochte.
Es war eine Pattsituation, in der keine von uns einen Zentimeter Boden aufgeben wollte. Schließlich schüttelte Thalia jedoch den Kopf und verlor die Geduld. Ich begab mich einfach nicht auf ihr Niveau herab. Als wir noch klein gewesen waren, hatte sie immer die Führung übernommen, und jetzt zwang ich sie dazu, das Gleiche wieder zu tun.
Ich biss die Zähne zusammen und bereitete mich auf das vor, was meiner harrte. Irgendwie hatte Thalia herausgefunden, dass ich nicht ins Familiengeschäft einsteigen wollte, sondern stattdessen vorhatte, nach New York zu gehen und dort mein Glück zu versuchen.
Zumindest dachte ich, dass sie das sagen würde.
»Calliope Reaper-Jones ist eine Lügnerin und eine Betrügerin. Sie will unsere Familie verraten, sobald sie mit dem Studium fertig ist.«
Ich starrte sie an. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wovon sie redete. Meine Familie verraten? An wen? Und warum?
Doch das war nicht alles. Thalia fuhr fort. Offenbar gefielen ihr die Verwirrung und die Angst, die ihre Worte hervorriefen.
»Ich habe heimlich mit den anderen Vorstandsmitgliedern zusammengearbeitet, um herauszufinden, wer dem Teufel Insider-Informationen über die Jenseits GmbH zukommen lässt. Und wir glauben, dass wir die undichte Stelle gefunden haben.« Thalia schaute mich mit stechendem Blick an. Ihre Augen glitzerten.
»So ein Schwachsinn!«, wütete ich. Ich wusste genau, worauf sie hinauswollte. »Ich weiß überhaupt nichts über Dads Job!«
Thalia schüttelte den Kopf und trug das gespielte Mitleid dabei zentimeterdick auf. »Alle wissen, dass du nicht unsterblich sein willst, Calliope. Das ist allgemein bekannt. Du kannst es nicht abstreiten.«
»Will ich auch nicht«, gab ich zurück und nieste dreimal schnell hintereinander. »Aber ich würde niemanden verraten, Thalia. Niemals.«
»Ich habe Beweise dafür, dass dem nicht so ist«, erwiderte Thalia scharfzüngig und schaute mir dabei weiter in die Augen.
»Es ist mir egal, was du hast.« Ich kreischte beinahe vor brennender Wut.
Thalia trat einen Schritt auf mich zu, und ein Joker-Grinsen machte sich auf ihrem edlen Gesicht breit. »Du bist eine Verräterin, Calliope Reaper-Jones«, fauchte sie mich an.
Das reichte. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ich hatte die Nase voll … obwohl mir das nicht wirklich bewusst war. Die aufgestaute Wut in meinem Innern erreichte einen Höhepunkt, und ich spürte, wie sie sich auf dem Weg nach draußen mit scharfen Klauen durch jede Zelle meines Körpers bahnte. Meine Lippen erstarrten zu einer langen, schmalen Linie, und ein fremdartiges, knurrendes Geräusch entrang sich meiner Kehle. Bevor ich das Ausmaß dessen erfasste, was mit mir passierte, erlebte ich einen Carrie- Moment, und der menschliche Teil meiner selbst versank in Bewusstlosigkeit.
Als alles vorbei war, war meine Schwester Thalia eine dicke, fette Kröte unterm Weihnachtsbaum.
Ich habe bis heute nur Clios Version der Ereignisse gehört, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es echt der Hammer war, weil mein Dad anschließend bereitwillig die Vorstellung akzeptierte, dass ich kein Teil der Jenseits GmbH werden würde. Natürlich hatte Thalia völligen Mist geredet, und ich war keine Familienverräterin. Nachdem mein Dad ihr ihre normale Gestalt zurückgegeben hatte, gestand sie, dass sie nur im Trüben gefischt und versucht hatte mir Angst einzujagen, damit ich vielleicht wichtige Informationen preisgab. Woher hätte sie auch wissen sollen, dass ich gleich total durchdrehen würde?
Erst Jahre später, als sie Dads Entführung arrangiert und versucht hatte seinen Job zu übernehmen, wurde mir klar, worum es bei der ganzen
Weitere Kostenlose Bücher