Benson, Amber - Jenseits GmbH 2 - Einmal Tod ist nicht genug
Weihnachtssache gegangen war. Thalia hatte zwei Dinge herausfinden wollen: wie mächtig ich war und ob sie mich so sehr einschüchtern konnte, dass ich ihr nicht in die Quere kommen würde.
Darüber hinaus säte sie einen Keim des Zweifels tief in die Herzen der anderen Familienmitglieder. Einen Keim, von dem sie hoffte, dass er wachsen und gedeihen würde, sodass sie eines Tages seine Frucht ernten und uns damit alle auf ewig vernichten konnte.
Und traurigerweise war ihr genau das beinahe gelungen.
11
Während ich angestrengt durch die Erbsensuppe spähte, die die Skyline des Fegefeuers einzuhüllen schien, kam ich zu dem Schluss, dass der riesige Wolkenkratzer aus Schwefelstein, Stahl und Glas, der die Jenseits GmbH beheimatete, ein bisschen an das Gebäude aus der Eröffnungssequenz des Films Hudsucker erinnerte.
Ich war mir nicht hundertprozentig sicher, warum mir gerade das in den Sinn kam, aber ich hatte den Verdacht, dass es etwas mit dem Gefühl von Firmenverwahrlosung zu tun hatte, das der Film vermittelte, ein Ambiente, das auch beim Fegefeuer besonders ins Auge stach. Nach all den seltsamen Vermischungen zwischen der sterblichen Welt und dem Jenseits hätte es mich kein bisschen überrascht zu erfahren, dass der Produktionsdesigner des Films irgendwie ins Fegefeuer gestolpert war und dass diese Erfahrung ihn übermäßig beeinflusst hatte.
Das Ambiente einer verwahrlosten Firma betraf nicht nur den bewohnten Teil des Fegefeuers – die gigantische Schwefelfestung, die mein Dad nur etwa zehn Jahre nach seinem Aufstieg zum Obermotz des Jenseits zu einem nostalgischen amerikanischen Retrowolkenkratzer umgebaut hatte –, sondern auch die leere Wüste drum herum. Ich sage leere Wüste, weil man mir immer erklärt hat, dass sie ein ganz und gar unbewohnter Ort ist. Allerdings hatte Jarvis mich informiert, dass es in letzter Zeit Gerüchte über Geschöpfe gab, die aus der Hölle geflohen und auf der Suche nach einem besseren Leben für sich und ihre Familien in diese leeren Weiten entschwunden waren. Natürlich gab es dafür keinerlei konkrete Beweise, aber dennoch war die Wüste so dunkel und unwirtlich, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass irgendjemand dorthin fliehen würde, ganz egal, wie übel es einen in der Hölle erwischt hatte.
Ach ja, und was ist mit dem Exkrementehaufen?
Genau genommen hatte ich den Großteil meines Lebens mit dem Versuch verbracht, mich so weit wie möglich von diesem Ort fernzuhalten. Als Kind hatte ich mich einfach nicht besonders für den Lebensunterhalt meines Vaters interessiert. Ich hatte niemals darum gebeten, durch die Büros der Jenseits GmbH geführt zu werden oder wie Clio ein Praktikum in einer ihrer Abteilungen machen zu dürfen. Ich hatte mir immer so viel Beschäftigung in der Menschenwelt gesucht, dass bei mir kein Bedürfnis aufkam, den übernatürlichen Teil meines Lebens zu erforschen.
Als ich jetzt auf meine Kindheit zurückblickte, fragte ich mich, wie es mir gelungen war, nicht von meinem Dad beeindruckt zu sein. Ich meine, allein schon das von ihm gestaltete Gebäude war ein so erstaunliches Stück Architektur, dass es meinen Kunstsinn hätte ansprechen sollen. Trotzdem war ich immer sehr viel heißer darauf gewesen, Zeit mit meiner Mutter zu verbringen. Ihre Interessen lagen einfach mehr auf meiner Linie: Mode, Innenarchitektur und Essen.
Ja, mein Dad leitete vielleicht im Alleingang eine multinationale Firma, aber meine Mutter war ein Designgenie. Wenn sie Haus Meeresklippe zweimal im Jahr umdekorierte, war ich an ihrer Seite und schaute ihr bei der Arbeit zu. Wenn sie sich zu einem ihrer ausufernden Einkaufstrips nach New York aufmachte – von denen sie nur die modischsten Designersachen mit zurückbrachte –, flehte ich sie an, mitkommen zu dürfen, damit ich mit großen Augen zuschauen konnte.
Soweit es mich betraf, waren das meine wunderbaren Kindertage, die bleibende Erinnerungen in meinem jungen, formbaren Geist hinterlassen hatten. Ich hatte mit aller Macht dagegen angekämpft, dass die seltsame, fantastische Welt, in der mein Dad lebte, sich auch nur ansatzweise in meinem Kopf verankerte.
Wenn ich daran zurückdachte, waren es wohl diese frühen Erinnerungen, die mich ursprünglich nach New York gezogen haben. Für meine Mutter war diese Stadt das Mekka in Sachen Mode und Kultur, und da Mode das Einzige war, was mich wirklich begeistern konnte, erschien New York mir wie der perfekte Ort, um mein erwachsenes Leben dort zu
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