Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse
besaß eine Energie, die auf den ersten Blick beneidenswert schien. Doch als sie Kristina, die ihrer Betsy viel zu ähnlich sah, beim Essen beobachtete, fragte sich Janie, wie ihre Mutter mit einem so eigenwilligen Kind wie Kristina fertig geworden war.
Sie hat sich darüber gefreut, entschied sie.
»Also«, sagte sie, nachdem sie die Erinnerung an Betsy beiseite geschoben hatte, »wir haben den Anfang einer Liste. Abrahams Mutter erinnerte sich an einige Namen. Ich habe sie alle auf der Knochentrauma-Liste wiedergefunden, die von Big Dattie stammt. Was mich auf einen weiteren Gedanken bringt. Ich denke, daß Sie recht haben, den Jungen mit der Website nicht zu kontaktieren. Aber vielleicht sollten wir es bei seiner Mutter oder seinem Vater versuchen.«
Es war leicht, die Telefonnummer herauszubekommen – er hatte die Namen seiner Eltern auf der Website angegeben, die ausgedruckt auf ihrem Schreibtisch lag. Und diesen Eltern fielen, als von der Angst vor Giardia die Rede war, weitere Namen ein. Als Janie die Gespräche mit ihnen beendet hatte, überprüfte sie ein Drittel der Namen auf der Liste.
»Tja, damit ist es ziemlich klar«, stellte Kristina fest, als sie die Ergebnisse ihrer abendlichen Bemühungen durchgingen. »Ich bin bloß überrascht, daß es sonst niemandem aufgefallen ist.«
»Keiner hatte einen Grund, danach zu suchen.«
»Anscheinend beginnt jetzt die zweite Phase«, sagte Kristina.
»Und die wäre?«
»Wir müssen komplette Akten über alle diese Jungen anlegen. Wenn wir dann die Daten sortieren, wird vielleicht eine Art Muster sichtbar. Wenn wir niemanden dazu bringen können, uns ganz offiziell Auskünfte zu erteilen, müssen wir eben selbst danach suchen.«
Janie sah sich ratlos um. »Ich vermisse meinen Computer. Es ist dringend ein neuer fällig, bevor wir weitermachen.«
»Ach du meine Güte, das habe ich vergessen«, rief Kristina aus. Schon huschte sie hinaus.
Ein paar Augenblicke später kam sie zurück. Sie hatte aus ihrem winzigen Auto ein mit Klebeband fest verschlossenes Paket geholt, das keinerlei Aufdrucke trug. Vorsichtig stellte sie es auf die Arbeitsplatte in der Küche.
»Ist das für mich?« fragte Janie überrascht, während sie zusah, wie Kristina das Klebeband löste.
Kristina nickte und begann dann, Schicht um Schicht von Folie mit Luftblasen aus dem Karton zu klauben. Obwohl es schon so aussah, als enthalte das Paket nichts als Füllmaterial, hob sie endlich behutsam einen Taschencomputer heraus. Andächtig stellte sie ihn vor ihre Gastgeberin.
»Dr. Crowe, darf ich Ihnen Virtual Memorial vorstellen? Ein kleines Geschenk von uns!«
»Das Bild ist ganz gut«, bemerkte einer der Beobachter.
»Bist du sicher, daß das der richtige Zeitpunkt ist, ihr das Gerät zu überlassen?« fragte der andere. »Ich mache mir Sorgen, es könnte vielleicht zu früh sein.«
»Und ich mache mir Sorgen, die perfekte Gelegenheit zu verpassen, wenn wir es ihr jetzt nicht geben. Sie ist wie eine Henne ohne Eier – wenn du ihr ein fremdes unterschiebst, setzt sie sich drauf, nur um was zu tun zu haben.«
»Stört es dich denn nicht, jemand von außen einzusetzen? Mich schon!«
»Nein. Überhaupt nicht. Tatsächlich halte ich es sogar für klug – es schafft eine gewisse Distanz. Es gefällt mir nicht, daß Kristina so exponiert ist. Aber erst recht mag ich es nicht, daß diese spezielle Frau d raußen ist. Sie sollte bei uns hier drinnen sein.«
»Es muß also überall im Land Sympathisanten geben«, feixte Janie.
»Solche wie mich.«
»Und einige davon«, bestätigte Kristina ernst, »diejenigen, die ebenfalls an der richtigen Stelle sitzen, kümmern sich um die anderen Jungen auf der Liste – wie Sie sich um Abraham. Es gibt viele Förderer überall im Land, meist in Positionen, die Ihrer ähnlich sind, wo sie Zugang zu Patienten, zum MedNet, zu Computersystemen haben … aber sie sind keine offiziellen Betreuer. Labortechniker, Verwaltungsangestellte auf mittlerer Ebene, Forscher, die mit Datenbanken umgehen und Fragen stellen können, aber keine unerwünschten Spuren hinterlassen. In einem Punkt unterscheiden sie sich allerdings von Ihnen.«
»Und der wäre?«
»Sie werden ihnen sagen, was sie zu tun haben.«
Janie reagierte sofort. »Nein. Das kann ich nicht. Ich bin nicht der Typ, den Boß zu spielen.«
Kristina unterdrückte ein kleines Lachen. »Wir haben aber etwas anderes gehört.«
»Was haben Sie gehört?«
»Dr. Crowe, bitte tun Sie nicht so, als
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