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Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse

Titel: Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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entschließen, die Verantwortung für sie zu übernehmen.«
    Janie fragte sich oft, wie dieser Mann Supervisor geworden war. Jetzt verschränkte er die Arme über seinem ausladenden Bauch und kippte seinen Stuhl nach hinten, so daß er auf zwei Beinen balancierte. Wie immer waren seine Hemdsärmel aufgekrempelt und gaben behaarte Unterarme frei. Auf einem davon befand sich die Tätowierung von zwei gekreuzten Gewehren. Seine Mitarbeiter hatten ihm hinter seinem Rücken den Spitznamen Affenmensch verpaßt, worin er sie unwissentlich bestärkte, indem er mit einer Hand seine trockene Kopfhaut kratzte, wenn er über etwas nachdachte.
    Und obwohl er sie bei mehr als einer Gelegenheit angemacht hatte, war er ein prominentes Mitglied von Janies persönlichem Letzter-Mann-auf-Erden-Club.
    Sie versuchte, seine Unarten zu ignorieren – die Überzeugungsarbeit zu leisten hatte Vorrang. »Ach, kommen Sie, Chet – jemand hat gedacht, dieser Fall würde dem Profil entsprechen. Und gestern bekam ich einen Anruf aus dem Northern Hospital in Boston, dem ich noch nicht nachgegangen bin; aber er klang ähnlich. Bei beiden Kindern handelt es sich um so klare Beteiligung des Rückenmarks, daß wir sie in unser Projekt aufnehmen müssen – oder es wird gefragt, warum wir es nicht getan haben. Man könnte uns den Versuch vorwerfen, die Resultate zu verfälschen. Zwei Fälle hintereinander – scheint das nicht ein bißchen merkwürdig? Was ist, wenn wir es hier mit einer neu entstehenden Krankheit zu tun haben? Stellen Sie sich die Folgen einer solchen Entdeckung für unsere Stiftung vor. Unser Ruf würde ins Unermeßliche wachsen …«
    »Das ist keine neue Krankheit«, korrigierte er scharf. »Nach dem, was ich im Überblick gesehen habe, handelt es sich bloß um einen besonders scheußlichen Wirbelbruch. Vielleicht versucht sein Fußballtrainer, seinen eigenen Arsch zu retten, weil er den Jungen in eine gefährliche Situation geschickt hat.«
    »Ich habe ein paar Leute angerufen, die dabei waren – der Trainer hat mir die Namen gegeben. Und sie bestätigten seinen Bericht – daß es kein heftiger Zusammenprall oder irgend etwas Ungewöhnliches war. Offenbar ging es um diese Art Zwischenfall, nach dem Kinder in der Regel aufstehen, sich den Staub abklopfen und weiterspielen. Was der andere Junge auch getan hat. Aber nicht der kleine Prives! Ich frage mich bloß, warum.«
    »Tja, ich sage Ihnen das höchst ungern, aber Sie werden es nicht herausfinden. Es kostet zuviel Geld.«
    »Für Fälle wie diese muß es doch Sondermittel geben – und den gegenwärtigen Projektteilnehmern lassen wir bereits teure Pflege zukommen. Einer mehr wird sicher gar nicht auffallen.«
    »Machen Sie Witze?« knurrte Chet. »Die da oben sind keine Meisen, die haben Adleraugen. Die merken alles.«
    Sie runzelte die Stirn. »Sie glauben also nicht, daß sie mitmachen?«
    »Nein. Das glaube ich nicht.«
    »Und Sie werden mich nicht unterstützen?«
    »Nicht, solange Sie mir nicht überzeugendere Argumente liefern, nein!«
    Als Janie beleidigt abzog, rief Chet die Personaldatei seines Computers auf. Er tippte ein paar Worte ein und schloß sie wieder.

    Janie hatte ihren ehemaligen Doktorvater einige Monate nicht gesehen und war nicht überrascht über die telefonische Auskunft, daß John Sandhaus aus seinem geräumigen Haus am Stadtrand ausgezogen war; jetzt lebte er in einem Gästeapartment in einem der Wohnheime der nahen Universität.
    »He«, er grinste breit, als sie zur Tür hereinkam, »schön, Sie mal wieder zu sehen.«
    »Hi!« Janie umarmte ihn. »Wir müssen mehr für unsere Verbindung tun.«
    »Sie haben recht«, sagte er. »Mir kommt es vor, als würde mein Leben immer schneller und schneller ablaufen.«
    »Das Gefühl kenne ich.« Ihr Arm schwenkte durch das Apartment. »Ein neues Nest?«
    »Ich gewöhne mich daran«, meinte er. »Es könnte mir mit der Zeit sogar gefallen. Cathy jedenfalls mag es. Eines Tages im letzten Herbst habe ich aus dem Fenster gesehen und beobachtet, wie die Blätter fallen«, fuhr er fort, »und da brach es über mich herein wie eine Tonne Ziegelsteine: Vermutlich habe ich sechs Monate meines Lebens damit zugebracht, Blätter zusammenzurechen. Und genau in diesem Moment wurde mir klar, daß ich nicht noch einen Monat rechen sollte. Niemals. Fallende Blätter wurden zum Symbol meiner Gefangenschaft in den rigiden Verhaltensweisen der modernen Gesellschaft. Und ich, der menschliche Gernegroß, hab eine Menge Zeit

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