Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse
Geschmack finden.«
»Trotzdem ist es eine große Erleichterung für mich, ihm keine Botschaft senden zu müssen, von der er das Gefühl hätte, sie widerspräche seinen Interessen.«
»Dann habe ich auch keinen Grund mehr, in Paris zu bleiben.«
»Ja, vermutlich.«
Karle holte tief Luft. »Wir werden also morgen aufbrechen und nach Norden ziehen. Unterwegs fange ich an, meine Armee zu sammeln. Wenn wir uns formiert und vorbereitet haben, werden wir Navarra das mitteilen.«
Marcel stand auf. »Ihr sollt das Bündnis nicht bereuen! Und nun gute Reise, Karle, Euch und denen, die sich Euch anschließen. Ihr tut die Arbeit, die andere Männer sich zu tun fürchten – aber dennoch getan sehen wollen.«
Sie umarmten sich kurz und klopften einander auf den Rücken, als seien sie wirklich Onkel und Neffe. »Und nun«, schlug Marcel vor, »noch ein letzter Tropfen, denn ich nehme an, Ihr wollt Euch früh zurückziehen. Morgen habt Ihr sicher einen langen Tag vor Euch.«
»Viele lange Tage, scheint mir.«
Marcel hob seinen Becher. »Auf Jacques Bonhomme! Möge sein Geist sich erheben.«
Sie ruhten auf dem Strohlager in der kleinen Kammer und wußten, dies könnte ihre letzte bequeme Nacht sein. Ihnen war klar, daß sich alles ändern würde, sobald Alejandro sich ihnen anschloß. In der wilden Verzweiflung der Ungewißheit klammerten sie sich aneinander und flüsterten sich gegenseitig Zärtlichkeiten ins Ohr.
»Du hast mich deine Frau genannt«, wisperte Kate.
»So werde ich dich noch viele weitere Male nennen«, stellte Karle in Aussicht. »Sobald wir Gelegenheit dazu haben, werden wir mit einem Priester sprechen.«
» Ehemann « , formten ihre Lippen. »Das ist ein hübsches Wort,«
Er küßte sie erst auf beide Augen, dann auf die Nasenspitze, schließlich lange und zärtlich auf den Mund. »Ich hoffe, dein père wird auch dieser Meinung sein.«
Es kam Alejandro so vor, als könne sich der lästige kleine Flamel höchstens für ein oder zwei Tage fernhalten; denn da war er schon wieder, nur zwei Abende nach seinem letzten Eindringen, und unterbrach die Arbeit, die angeblich schleunigst erledigt werden sollte.
»Nicht einmal der zweite Teil ist fertig!«
»Das braucht eben seine Zeit, Flamel. Meint Ihr, man könnte so etwas überstürzen? Es erfordert Zeit und Sorgfalt, und Ihr müßt geduldiger sein.«
»Ach ja«, fuhr der kleine Mann zusammen und schlug sich selbst strafend gegen die Stirn. »Ihr werdet mich für ungebildet halten, weil ich das nicht erkenne. Aber ich erkenne es, ich erkenne es! Es ist nur so, daß ich meine Gebete beendet habe, und Gott hat mich für dieses Werk der Schöpfung akzeptiert – zumindest hat Er mir das zu verstehen gegeben, und ich kann es gar nicht erwarten, Seine Geheimnisse zu entschlüsseln.«
Alejandro legte seine Feder nieder und sah Flamel mit milder Überraschung an. »Gott hat Euch bereits Sein Zeichen gesandt?«
Flamel faltete die Hände und schaute himmelwärts. »Das hat er, alle Heiligen seien gesegnet!«
»Ihr müßt ein ungewöhnlich frommer Mann sein, da Er so gütig mit Euch verfährt.«
»Ja, Er hält mich wohl dafür. Es war eine Vision, die ich im Traum hatte. Zuerst war der Traum schrecklich; aber dann begriff ich, daß Gott mich damit aufrütteln wollte, und so gab ich genau acht. Zuerst war ich in einer Art Kerker, einem dunklen, stickigen Ort mit sehr wenig Licht, und dieser Aufenthalt jagte mir große Angst ein. Der einzige Weg ins Freie war eine kleine Tür, und obwohl ich meine Wärter anflehte, mich freizulassen, beachteten sie mich nicht – bis sich eines Tages die Tür öffnete und ich wieder ins Licht geführt wurde. Zuerst konnte ich kaum etwas sehen, weil ich so lange in der Dunkelheit gesessen hatte. Aber Gott sorgte dafür, daß meine Augen etwas entdeckten, etwas wunderbar Helles: einen Lichtkreis, glühend rot und glänzend, und als er auf mich zukam, brach er in schönste Flammen aus …«
Alejandro hörte sich den restlichen Traum des Alchimisten nicht mehr an. Was immer er noch enthalten mochte, waren nur unbedeutende Abbilder dessen, was ihm das Zeichen verkündete. Denn in seinem tiefsten Inneren wußte der Arzt, daß es ihm selber galt, nur ihm allein, und daß es an der Zeit war, Paris zu verlassen.
KAPITEL 24
»Ich war noch nie oben in deinem Haus.«
»An Angeboten meinerseits hat es jedenfalls nicht gefehlt.«
Toms flirtender Ton gab Janie das tröstliche Gefühl, daß einige kleine Dinge auf der Welt immer noch
Weitere Kostenlose Bücher