Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse
sozusagen schwierig. Aber nicht unmöglich. Die Erfolgsrate der Stiftung bei Anträgen auf Zugang zur Datenbank ist recht gut.«
»Wo ist dieser andere Junge?«
»Boston.«
»Oh! Also eigentlich nicht von hier.«
Janie schwieg einen Moment. »Nein, wohl nicht.« Während sie im stillen die Finger kreuzte und sich wünschte, der Antrag, den sie bereits eingereicht hatte, würde genehmigt, dachte sie: In einem solchen Fall wäre sogar dieselbe Erdhalbkugel so etwas wie » von hier « .
Abrahams wegen mußte sie so viele Telefonate führen, daß sie ihren Nachmittagstermin fast vergessen hätte. Aber schließlich kam ein Zwischenmoment, in dem Janie einen raschen Blick in ihren Kalender warf, und da war sie – eine Verabredung, bereits vor ein paar Tagen getroffen und beinahe vergessen …
Reine Verleugnung, wurde ihr klar. Sie griff nach ihrer Tasche und rannte hinaus.
Der dunkelgetäfelte und mit Messing beschlagene Aufzug, in dem sie nach unten fuhr, sah noch immer nach der Handelsbank aus, die früher in diesem Gebäude residiert hatte. Sie war übernommen worden, als der Vorstand und die meisten Aufsichtsratsmitglieder sich tief vor MR SAM verneigten und nicht wieder hochkamen. Das war ein klassischer Fall von Konsolidierung mitten in den Ausbrüchen, bei dem ein dicker Fisch, ein Großkonzern, bewies, daß ein kleinerer Konzernfisch in der Nahrungskette unter ihm stand, indem er ihn schluckte. Der größte Teil des Profits kam dabei ein paar ehrgeizigen, vom Glück begünstigten Aktionären zugute, die den Weitblick besaßen, ihre Ernte einzufahren, solange die Seuche wütete.
Janies Timing war besser als gewöhnlich – der Bus, der zur Universität fuhr, schaukelte gerade um die Ecke, als sie die Granittreppe hinunterstieg. Sie legte ihre rechte Hand auf den Türsensor und stieg ein, nachdem sich die Klappen mit dem Geräusch entweichender Luft geöffnet hatten. Dabei wünschte sie sich, sie hätte das Benzin rechtfertigen können, um diese Fahrt mit dem Auto machen zu können. Es hätte sicher weniger Zeit gekostet. Irgendwo in Big Dattie würde der Zähler für ihre Busfahrten auf dieser Strecke um einen Punkt höher springen, sobald das System ihre Tagesdaten gespeichert hatte. Doch da sie alleinstehend und kinderlos war und keine alten Angehörigen besaß, die sie unterstützen mußte, kam sie nicht in den Genuß der billigsten Benzinpreiskategorie; außerdem verbrauchte sie viel zuviel von ihrer jährlichen Zuteilung für fragwürdige kleine Ausflüge. Also würde der Zähler weiterhin ab und zu höher klettern. Sie zwang sich, nicht mehr daran zu denken.
Wenn sie bloß die Einwanderung erleichtern würden, dann würde es vielleicht genug Arbeiter geben, die die Benzinproduktion wieder normalisierten, dachte sie sehnsüchtig, als der Bus sich wieder in den Verkehr einfädelte.
Vielleicht könnte Bruce einreisen, wenn er bereit wäre, für eine Raffinerie zu arbeiten …
Sie schnaubte leise bei der absurden Erkenntnis, daß ihr Liebhaber auf der anderen Seite des Ozeans, falls es ihm jemals gelingen sollte, in die Vereinigten Staaten zurückzukehren, als Arbeiter auf einem Ölfeld mehr Geld verdienen würde als als Krankenhausarzt.
Das National Hebrew Book Depository lag nur einen kurzen Fußweg von der Endhaltestelle des Busses entfernt. Man ging über einen Weg aus Schieferplatten in den dichten Park am südlichen Ende des Universitätsgeländes. Das Depository selbst, harmonisch und unauffällig zwischen die Bäume integriert, war ein verblüffender zeitgenössischer Bau. Er erweckte den täuschenden Eindruck, kaum mehr als eine Hütte im Gehölz zu sein, so geschickt war er angelegt. Janie hatte sich über das Gebäude informiert und wußte, daß es sich aufgrund der fast unanständigen Beharrlichkeit der Kuratorin, die sie heute aufsuchen wollte, geradezu perfekter Sicherheit rühmen konnte. Die roh behauenen Balken, mit denen es verkleidet war, verbargen eine Konstruktion aus bomben-, kugel- und feuersicherem Stahl und Beton; sie schützte den kostbaren Inhalt vor jedem bösartigen Unfug, den eine politisch so brisante Einrichtung geradezu anziehen mußte.
Die Kuratorin, Myra Ross, war eine gedrungene, grauhaarige Dame in den Sechzigern, deren Kleinwuchs in keinem Verhältnis zu ihrer immensen Persönlichkeit stand. Als sie sich zum erstenmal getroffen hatten, vor ein paar Wochen bei einer Vernissage, hatte die winzige Person mit unverhülltem Neid zu der großen, schlaksigen und noch
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