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Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse

Titel: Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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Tuch enger um sich. Sie drehte sich um, wich auf einmal seinem Blick aus. »Wie könnt Ihr das sagen?« fragte sie. »Ihr wißt nichts von uns.«
    »Wo ist Eure mere? « hakte er nach.
    Die Frage schien sie zu überrumpeln, doch nach kurzem Zögern gab sie Antwort. »Sie ist gestorben.«
    »Wie?«
    Als sie antwortete, klang ihre Stimme gepreßt und trocken. »An der Pest …«
    An ihrem distanzierten, verletzten Gesichtsausdruck erkannte Karle, daß sie die Wahrheit sagte. Doch er zweifelte auch nicht daran, daß dieser père tatsächlich sie und sich selbst von der Pest geheilt hatte. Warum dann nicht die Mutter?
    Als habe sie seine Gedanken erraten, sagte sie: »Das war, bevor er die Heilmethode richtig anzuwenden verstand. Aber sie lebte noch zwei Wochen, bevor sie dahinging«, fügte sie rasch hinzu.
    »Zwei ganze Wochen!«
    Einen Augenblick lang hatte er das Gefühl, daß eine liebevoll gehegte Erinnerung ihre Miene erleuchtete; doch rasch schwand die Wärme wieder aus ihrem Gesicht. Sie war seiner ursprünglichen Frage ausgewichen, deshalb begann er von neuem: »Ich behaupte noch einmal, daß er nicht Euer père ist.«
    Über den Schein des Feuers hinweg sah sie ihn an. Ihr Gesicht in dem unheimlichen orangefarbenen Licht drückte etwas wie Haß aus. Er war überrascht, wie sehr ihn das traf. Verzweifelt versuchte er, hinter die Maske zu schauen, die sie trug, aber sie wollte es nicht zulassen. Endlich, als er das leere Schweigen nicht länger ertrug, füllte er es mit törichten Folgerungen. »In Eurem hellen Körper fließt kein Tropfen von seinem dunklen Blut. Und die Töchter gewöhnlicher Ärzte sind nicht so gebildet wie Ihr. Ihr klingt englisch, Ihr seht englisch aus, Ihr sprecht sogar diese abscheuliche Sprache. Euer Französisch ist von der Art, wie es bei Hofe gesprochen wird. Und Ihr habt gesagt, daß Ihr lesen könnt. Frauen können nicht lesen, es sei denn, sie sind wirklich von sehr hoher Geburt.«
    » Père hat es mir beigebracht. Und ich versichere Euch, er ist nicht von hoher Geburt.«
    »Aber er ist ein gebildeter Mann. Und sein Französisch hat einen spanischen Akzent. Bei seinem Taufnamen Alejandro leuchtet es ein, daß er spanischer Herkunft ist.«
    Ihre Augen sahen ihn unverwandt an. Dann senkte sie plötzlich den Blick, als könne sie seine Musterung nicht länger ertragen. Doch als sie wieder aufschaute, zeigte sich in ihrem Ausdruck schierer Trotz.
    »Es ist sehr scharfsinnig von Euch, all das zu bemerken.«
    »Ich bin ein Ehrenmann und versuche, das Wesen einer Jungfrau zu ergründen, deren Wohlergehen mir anvertraut wurde. Das Wort, das ich diesem Mann gegeben habe, wie immer er zu Euch steht, werde ich auch halten, und das kann ich viel besser, wenn ich etwas über Eure Lebensumstände weiß.« Er stocherte mit einem Stock in der Asche, damit sie noch etwas mehr Wärme an die kühle Luft abgab. »Und ich gestehe, daß ich neugierig bin. Ihr seid ein ungewöhnliches Paar.«
    Kate sah zu, wie er die verkohlten Holzstücke hin und her schob, um ihre volle Wärme freizusetzen. Seine Bewegungen waren sicher, aber behutsam, und es gelang ihm, die Glut zu verteilen, ohne einen Schwarm aufsteigender Funken zu erzeugen, der ihre Anwesenheit hätte verraten können. Als sie schließlich das Wort ergriff, war ihre Stimme weicher, enthielt aber eine Spur Bitterkeit. »Ihr habt recht – er ist nicht mein leiblicher Vater«, hub sie an. »Aber der Mann, der seinen Samen zwischen die unwilligen Schenkel meiner edlen Mutter ergoß – möge sie in Frieden ruhen –, war mir sowenig ein Vater, wie eine Ratte der Vater einer Lilie ist. Ja, ich bin von hoher Geburt, aber im Hause des Mannes, der mich zeugte, war ich wie der Staub unter einem Federbett – und wurde genauso schnell beiseite gefegt. Père hat alles für mich getan, was der beste Vater getan hätte, und noch viel mehr! Und er tat all das nur, weil er mich in sein Herz geschlossen hat. Nichts außer seiner eigenen Güte und Barmherzigkeit zwang ihn dazu. Ich kann mich glücklich preisen, von einem Vater wie ihm großgezogen worden zu sein.«
    Sie wandte sich erneut ab und legte sich auf die Fichtennadeln – ein unverkennbares Signal, daß ihre Unterredung beendet war. Ihm fiel auf, daß ihr Umschlagtuch zwar groß, aber aus einem dünnen Stoffstück bestand. Es reichte aus, um sie züchtig zu bedecken, konnte aber kaum viel Wärme spenden. Ihre Kleider waren noch feucht, und Guillaume Karle begann zu fürchten, sie könne sich erkälten.

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