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Beobachter

Beobachter

Titel: Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Link
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Eingangstür eines der Hochhäuser stand und in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel suchte.
    Er trat direkt neben sie.
    »Liza Stanford?«
    Sie erschrak so sehr, dass ihr die Tasche aus den Händen in den Schnee fiel. Entsetzt blickte sie John an. Er konnte ihre zitternden Lippen sehen und schwach ihre weit aufgerissenen Augen hinter den riesigen Gläsern ihrer Sonnenbrille erkennen.
    Er bückte sich, hob die Tasche auf und reichte sie ihr.
    »Sie sind doch Liza Stanford?«, fragte er, obwohl er längst wusste, dass sie vor ihm stand. Sie hatte zu deutlich auf den Namen reagiert.
    »Wer sind Sie?«, fragte sie zurück. Ihre Stimme klang ein wenig heiser.
    »John Burton.«
    »Mein Mann hat Sie auf mich angesetzt?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Mit Ihrem Mann hat das nichts zu tun.«
    Sie wirkte verwirrt und verängstigt und vollkommen unschlüssig, was sie nun tun sollte.
    »Ich muss mit Ihnen sprechen«, sagte John. »Es ist wichtig. Es liegt mir überhaupt nicht daran, Sie und Ihren Aufenthaltsort irgendjemandem preiszugeben. Aber ich brauche ein paar Informationen.«
    Er konnte spüren, dass sie ihm nicht traute, dass sie aber Angst hatte, ihn einfach zum Teufel zu jagen, weil sie damit möglicherweise alles schlimmer gemacht hätte. Sie sah aus, als wolle sie am liebsten davonlaufen, aber sie schien sich der Sinnlosigkeit eines solchen Versuches bewusst zu sein.
    »Bitte«, sagte John, »ich brauche wahrscheinlich gar nicht viel Zeit. Es ist wichtig.«
    Sie schlug sich offensichtlich noch immer mit der Frage herum, wie er sie hatte finden können.
    »Sie waren vorhin auf der Straße«, sagte sie. »Als ich …«
    »Ja«, sagte John, »als Sie Ihren Sohn beobachteten. Ich habe mir gedacht, dass Sie kommen würden, deshalb habe ich dort gewartet.«
    Sie war kreideweiß im Gesicht. »Haben Sie mit Finley gesprochen?«, fragte sie.
    »Ja.«
    »Wie geht es ihm?«
    »Gut. Aber er vermisst Sie natürlich. Und irgendetwas bedrückt ihn – über die Tatsache hinaus, dass seine Mutter plötzlich verschwunden ist. Dennoch ist er gut versorgt.«
    »Gut versorgt«, wiederholte sie. »Ja, das wusste ich. Dass er gut versorgt sein würde.«
    Sie rang mit sich, das konnte John sehen. Sie hätte ihm am liebsten ein Loch in den Bauch gefragt, jede kleinste Information über ihren Sohn aus ihm herausgeholt. Aber das hieße, sich auf ihn einzulassen. Und noch immer war sie voller Argwohn, voller Furcht.
    Er wagte einen direkten Angriff. »Kennen Sie Dr. Anne Westley? Und Carla Roberts?«
    Zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten zuckte sie zusammen. Dann sagte sie: »Kommen Sie. Wir reden miteinander.«
    Sie fand ihren Schlüssel und schloss die Haustür auf. Er folgte ihr zum Aufzug und fuhr mit ihr nach oben.
    Die Wohnung war mit einfachen, hellen Holzmöbeln eingerichtet und sah ein wenig aus wie eine freundliche, saubere Studentenbehausung. Nichts Besonderes, aber ein Ort, an dem man sich nicht unwohl fühlte. Dennoch gab es Anzeichen dafür, dass die Frau, die hier wohnte, erst vor Kurzem eingezogen war: Der Krimskrams, der sich im Laufe der Zeit in einem Zuhause anzusammeln pflegt, fehlte völlig, und alle Gegenstände sahen zu neu, kaum benutzt oder gar abgewohnt aus. Eine persönliche Note bekam das Wohnzimmer nur durch etwa zwei Dutzend gerahmte Fotografien von Finley. Sie zierten Fensterbänke und Regale. Finley als Baby, Finley als kleiner Junge, Finley, wie er heute aussah. Am Strand, beim Skifahren, im Ruderboot, im Zoo, mit Freunden im Garten. Ganz normale Bilder einer ganz normalen Kindheit.
    Und doch war irgendetwas in dieser Familie nicht normal. Ganz und gar nicht.
    John wandte sich um, als Liza den Raum betrat. Sie trug ein Tablett mit zwei Kaffeetassen und einem Milchkännchen. Ihrer Maskierung hatte sie sich entledigt. Keine Sonnenbrille mehr, keine Mütze, die alle Haare unter sich verbarg. John sah die schöne Frau, die er von dem Bild in Finleys Geldbeutel her kannte. Große Augen, volle Lippen. Langes, blondes, gewelltes Haar. Sie war noch attraktiver, als er sie sich vorgestellt hatte. Und sie sah noch trauriger aus, als er geahnt hatte.
    »Warum?«, fragte er und deutete auf eines der Bilder ihres Sohnes. »Warum tun Sie sich das an? Die Trennung von Ihrem Kind?«
    Sie stellte das Tablett auf den hölzernen Esstisch.
    »Sie hatten mich nach Anne Westley und Carla Roberts gefragt«, sagte sie. »Nach den beiden ermordeten Frauen. Um die geht es, oder?«
    »Ja.«
    »Sie sind aber nicht von der

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