Beobachter
setzte sich auf und blickte in das lächelnde Gesicht von Samson Segal.
»Habe ich Sie geweckt?«, fragte Samson besorgt.
John verkniff sich die gereizte Antwort, dass genau dies ja wohl seine Absicht gewesen sei, denn weshalb sonst sollte er in seinem Schlafzimmer herumschleichen?
»Schon in Ordnung. Wie spät ist es denn?«, fragte er.
»Gleich acht Uhr.«
»Oh verdammt«, sagte John, »ich müsste schon im Büro sein.« Er betrachtete seine Weckuhr, die neben der Matratze auf dem Fußboden stand. Vor lauter Müdigkeit musste er in der Nacht vergessen haben, sie einzuschalten. Das war ihm tatsächlich noch nie vorher passiert.
»Ist ganz schön spät gestern bei Ihnen geworden«, sagte Samson. »Bis halb zehn habe ich gewartet, aber dann …«
»Es war ein langer Abend«, sagte John. Er stand auf, blickte zum Fenster. Der Tag war angebrochen. Die Wohnung roch nach frischem Kaffee.
»Ich habe Frühstück gemacht«, erklärte Samson. »Ich war sogar schon weg und habe ein Päckchen Toastbrot gekauft.«
»Sie sollen doch in der Wohnung bleiben!«
»Aber dann hätten wir absolut nichts zum Essen gehabt. Schon gestern Abend …« Er schwieg verlegen.
John fuhr sich mit den Händen durch seine wirren Haare. »Tut mir leid. Daran hätte ich denken sollen. Ich komme gleich zum Frühstück.«
Er verschwand im Bad, duschte heiß und ausgiebig, entschied, dass er aufs Rasieren verzichten konnte, zog Jeans und Pullover an und ging in die Küche. Samson hatte, da es auch hier keinen Tisch gab, Teller, Tassen, Brotkorb und den Toaster auf die Arbeitsfläche gestellt und einen alten Barhocker herangeschoben. Er schenkte Kaffee ein und wies auf den Hocker. »Setzen Sie sich. Ich frühstücke im Stehen.«
»Ich auch«, sagte John, »also können Sie sich setzen.«
Samson blieb stehen, stellte aber seine Kaffeetasse auf dem Barhocker ab.
Letztlich wäre ein Tisch irgendwann einmal keine schlechte Investition, dachte John.
Er zerbrach sich den Kopf, ob und inwieweit er Samson informieren wollte. Grundsätzlich sprach er nie gern mit anderen über seine Gedankengänge, ehe er nicht für sich selbst zu einem befriedigenden Ergebnis gekommen war, das war schon so gewesen, als er noch bei der Polizei gearbeitet hatte. Andererseits hielt er Samson nicht für dumm, und zudem hatte er über Monate die Familie Ward beobachtet. Es konnte sein, dass ihm noch ein entscheidendes Detail einfiel, wenn John ihn einweihte.
»Sagt Ihnen der Name Stanford etwas?«, fragte er. »Dr. Logan Stanford?«
Samson überlegte. »Stanford … ist das nicht dieser Anwalt? Der so unglaublich viel Geld hat und andauernd irgendwelche Wohltätigkeitsveranstaltungen organisiert? Er steht ziemlich oft in der Zeitung. Kurz vor Weihnachten hat er bei uns draußen in Thorpe Bay auch irgendetwas angeleiert … im Golfclub, ich glaube, eine Tombola oder so etwas.«
Interessant. Immerhin schon eine Verbindung: Stanford hatte sich in Thorpe Bay aufgehalten. In nächster Nähe von Gillians Haus.
»Persönlich kennen Sie ihn aber nicht?«
Samson lachte. »Nein. Einer wie der würde mich doch gar nicht wahrnehmen! In diesen Kreisen verkehre ich nicht.«
John beschloss, zumindest einige Details seines Ermittlungsstandes weiterzugeben. »Seine Frau, Liza Stanford, hatte Kontakt zu den beiden ermordeten Frauen. Zu Carla Roberts und Anne Westley.«
»Ja? Woher wissen Sie das?«
»Egal. Ich weiß es. Und es wäre wichtig zu wissen, ob sie oder auch ihr Mann ebenfalls Kontakt zu Gillian Ward hatten.«
»Fragen Sie sie doch!«
»Ich habe Liza Stanford gefragt. Sie behauptet, den Namen Ward noch nie gehört zu haben. Sie wissen da nicht zufällig etwas?«
»Leider nein«, sagte Samson verwirrt, »ich nehme an, Sie möchten wissen, ob ich Dr. Stanford einmal bei den Wards gesehen habe? Nein, habe ich nicht. Ich meine, ich kenne sein Gesicht nur aus der Zeitung, aber er wäre mir nicht entgangen, denke ich. Und wie seine Frau aussieht, weiß ich überhaupt nicht.«
»Sehr attraktiv. Groß, schlank. Lange blonde Haare. Trägt immer eine große Sonnenbrille. Sie ist eine Frau, die auffällt.«
»Nein«, sagte Samson. »Tut mir leid. Gillian bekam überhaupt selten Besuch. Eigentlich nur von ihrer besten Freundin. Und gelegentlich kamen Mütter, die Klassenkameradinnen von Becky vorbeibrachten oder abholten. Sonst niemand.«
»Verstehe«, sagte John resigniert. Das deckte sich mit dem, was Kate ihm berichtet hatte: Gillian hatte der Polizei gegenüber erklärt,
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