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Beobachter

Beobachter

Titel: Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Link
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sich verzweifelt angestrengt, das eine oder andere Wort aufzuschnappen. Was ihr nicht gelungen war. Sie hatte Lucy angefleht, lauter zu sprechen, aber Lucy hatte nur gelächelt und sich nicht um ihre Bitten gekümmert. Es hatte Tara wahnsinnig gemacht, sich vorstellen zu müssen, dass Lucy vielleicht etwas sehr Wichtiges sagte, etwas, das alle ihre Fragen beantworten würde, aber dass es verloren ging, nur weil sie ihre Mutter nicht verstehen konnte. Ihr Herz hatte zu rasen begonnen. Und davon war sie erwacht.
    Der Gedanke kam ihr, dass ihre tote Mutter sie, indem sie ihr im Traum erschienen war, womöglich vor dem Erfrierungstod gerettet hatte. Konnte das sein? Es wäre das erste Mal, dass sich Lucy für sie eingesetzt hätte. Tara wusste nicht, ob ihr diese Vorstellung gefiel. Sie hatte Jahre um Jahre darauf gewartet, dass sich Lucy wie eine Mutter benahm, aber sie war nicht sicher, dass sie es jetzt noch wollte.
    Nein, ich will es nicht, entschied sie und setzte sich mühsam, die Schmerzen in ihrem Körper ignorierend, auf.
    Und sah Gillian.
    Sie stand vielleicht zehn Schritte vom Auto entfernt. Genau genommen konnte sie Gillian eigentlich gar nicht direkt erkennen. Sie sah nur eine schwarze Gestalt, die sich vom Weiß des Schnees und von der Helligkeit der Mondnacht abhob. Sie stand dort unbeweglich, schien das Auto zu betrachten.
    Es konnte sich nur um Gillian handeln. Wer sonst sollte hier in dieser Einöde nachts herumlaufen?
    Tara war jetzt hellwach. Vorsichtig ließ sie sich auf den Sitz zurücksinken. Sie fragte sich, ob Gillian sie gesehen, zumindest die Bewegung im Inneren des Autos ausgemacht hatte. Sie hatte keine Reaktion gezeigt. Tara hatte sich wegen ihrer steifen Knochen so langsam und zudem nur ein kleines Stück weit aufgerichtet, dass man es vielleicht draußen nicht wahrgenommen hatte.
    Verdammt, verdammt, verdammt! Ihr wurde ganz schlecht bei der Vorstellung, sie würde noch immer schlafen. Gillian hätte sie leicht überwältigen können. Alles wäre zu Ende gewesen.
    Wie, zum Teufel, war es ihr gelungen, die Hütte zu verlassen? Die Hütte war dermaßen gesichert, dass es praktisch unmöglich war, hinaus- oder hineinzukommen, wenn alles verschlossen war. Als einzige Möglichkeit war überhaupt nur denkbar, dass Gillian ein Werkzeug gefunden hatte, mit dessen Hilfe es ihr gelungen war, ein Schloss aufzubrechen oder die Fensterläden aufzustemmen. Doch es gab nichts in der Hütte, absolut nichts. Tara hatte sie vor Jahren bereits komplett leer geräumt. Kein Besteck mehr, kein Flaschenöffner, keine Zahnbürste, nichts. Alles, was Gillian zur Verfügung gestanden hatte, waren zwei Schlüssel. Es war Tara ein Rätsel, wie sie sich damit einen Weg nach draußen hatte erkämpfen können.
    Die Schlüssel. Der Autoschlüssel . Er war nun in greifbare Nähe gerückt. Wenn es ihr gelang, Gillian unschädlich zu machen, dann war Tara im Besitz des Schlüssels. Und endlich in der Lage, diesen unwirtlichen Ort zu verlassen. Ihr ganzer Körper begann zu kribbeln bei der Vorstellung, den Motor anzulassen und die Heizung auf die höchste Stufe zu drehen. Sie hätte heulen können, so übermächtig war ihre Sehnsucht nach Wärme geworden.
    Dennoch musste sie jetzt einen klaren Kopf behalten. Sie versuchte, ihre Pistole zu angeln, aber diese war unter dem Sitz zu weit nach vorne gerutscht, sie fand sie nicht. Egal, sie war kein guter Schütze und traf sowieso nur, wenn sie das Ziel unmittelbar vor der Mündung hatte. Ihr blieb das Messer, das sie in der Hand hielt, aber sie konnte nicht ausschließen, dass Gillian auch bewaffnet war; schließlich hatte sie sich mit Hilfe von irgendetwas aus ihrem Gefängnis befreit. Taras Position auf dem Rücksitz war darüber hinaus nicht ausgesprochen günstig. Wenn Gillian in das Innere des Autos spähte, ehe sie einstieg …
    Vorsichtig zog Tara an der Decke, breitete sie über den ganzen Sitz und über sich aus. Sie drückte sich, so flach sie nur konnte, in die weichen Polster. Natürlich, die Decke hatte zuvor hinten im Kofferraum gelegen. Aber sie bezweifelte, dass Gillian jetzt gerade einen Sinn für derartige Feinheiten hatte. Und sie selbst, Tara, hatte die Nase ein kleines Stück weit vorn. Denn sie wusste, wo sich Gillian befand. Gillian hingegen hatte keine Ahnung von dem Aufenthaltsort der Frau, die ihr nach dem Leben trachtete. Sie wähnte sie wahrscheinlich auf einer langen und mühevollen Wanderung durch den Peak District in Richtung Manchester.
    Tara

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