Beobachter
müssen.
Keinesfalls auf dem Rücksitz!
Sie stieß die Autotür auf und versuchte sich mit einem blitzschnellen Sprung in Sicherheit zu bringen. Gleichzeitig erfüllte ein plötzlich aufgetauchter dunkler Schatten hinter ihr den ganzen Rückspiegel. Gillian war den Bruchteil einer Sekunde zu spät. Die Drahtschlinge wurde über ihren Kopf gestülpt und schnitt mit einem grässlichen Schmerz in ihren Hals. Sie wurde so heftig zusammengezerrt, dass Gillian in ihrem Versuch, nach draußen zu entkommen, zurückgerissen wurde. Voller Panik griff sie mit beiden Händen nach dem Draht, der ihr die Luft abschnürte und ihren Kehlkopf zu zerquetschen drohte. Sie gab einen röchelnden, verzweifelten Laut von sich.
»Halt still«, sagte Tara. Ihre Stimme klang ruhig, fast sanft. »Halt still, sonst strangulierst du dich selbst!«
Gillian fügte sich. Der Druck ließ ein wenig nach. Sie bekam wieder etwas mehr Luft, aber noch immer tat ihr der Hals furchtbar weh. Tara hatte so stark an der Schlinge gerissen, dass sich der Draht tief in die Haut gegraben hatte. Vermutlich würde man noch wochenlang den Abdruck sehen.
Wenn sie noch wochenlang lebte.
Ihr Kopf wurde durch die Schlinge an die Stütze gepresst, ihr ganzer Körper gezwungen, im Sitz zu verharren. Während sie darum rang, gleichmäßiger zu atmen, nannte sie sich im Stillen eine geradezu abgrundtief dumme Idiotin. Als sie noch draußen gestanden und alle Möglichkeiten abzuwägen versucht hatte, hatte sie aus der Tatsache, dass sich die Türen des Autos über die Fernbedienung entriegeln ließen, geschlossen, dass Tara sie am Vormittag bei ihrer beider Ankunft verriegelt hatte. Damit war für sie klar gewesen, dass Tara nicht im Auto sein konnte, denn ohne Schlüssel war es ihr nicht möglich gewesen, es zu öffnen. Die Variante, dass das Auto offen gewesen und Tara eingestiegen war, dass sie dann die Türen von innen verschlossen hatte, war ihr nicht in den Sinn gekommen. Sie hatte diese Möglichkeit einfach nicht gesehen. Erschöpft und abgekämpft und völlig übermüdet, wie sie war, hatte ihr Gehirn nicht mehr zuverlässig gearbeitet. Sie hatte die Wolldecke auf dem Rücksitz liegen sehen, und nicht einmal da war ein rotes Warnlicht angesprungen.
Dumm, dumm, dumm! Sie stöhnte.
»Ja, blöd gelaufen«, stimmte Tara zu, als hätte sie ihre Gedanken lesen können. »Manchmal tappt man in die simpelste Falle. Aber mach dir nichts draus. Das ist auch schon anderen passiert.«
Gillian musste husten. Der Schmerz aus ihrem Kehlkopf zog bis in das Genick hinein, bis in ihre Schultern. Aber auch ihr ganzer Rachen fühlte sich wund an. Tara hatte mit solcher Gewalt an der Schlinge gezogen, dass Gillian den Eindruck hatte, sie konnte sich glücklich schätzen, nicht gleich enthauptet worden zu sein.
»Wa…«, krächzte sie.
»Du solltest nicht reden«, meinte Tara.
Gillian hörte, wie ein Messer aufschnappte. Gleich darauf spürte sie die kalte Klinge seitlich dicht unterhalb ihres rechten Ohres. Sie machte eine verzweifelte Bewegung, bezahlte das aber sofort mit einem erneuten tiefen Einschneiden des Drahtes in ihre Haut. Sie gab einen Jammerlaut von sich und fügte sich sofort wieder in ihre alte Position.
»Braves Mädchen«, sagte Tara. »Du lernst schnell. Probiere keinen Aufstand, sei klug. Du kannst ihn nicht gewinnen.«
»Wa…«, setzte Gillian erneut an.
»Wawawawa«, äffte Tara sie nach. Sanft spielte sie mit der Klinge an Gillians Ohrläppchen herum. »Sprich dich aus. Was willst du mir unbedingt sagen?«
Hoffnungslosigkeit und Trauer legten sich wie Blei über Gillian. Sie hatte so heftig gekämpft. Und nun doch verloren.
Obwohl ihr der Hals so weh tat, gelang es ihr, endlich einigermaßen verständliche Worte zu formen.
»Wa…rum?«, fragte sie. Sie klang, als habe sie dick vereiterte Mandeln. »Warum … ich?«
»Ja, warum du?«, wiederholte Tara. »Nun habe ich dir so viel von mir erzählt, und du kannst es dir noch immer nicht denken? Hast du es nicht kapiert? Den Fehler, den du gemacht hast? Den unverzeihlichen Fehler?«
Gillian schwieg.
Sie verstand es in diesem Moment. Den Fehler. Der in Taras krankem Gehirn wie eine Wiederholung ihrer eigenen Geschichte aussehen musste.
»John«, stieß sie hervor.
Tara berührte sie fast sanft mit der Klinge. »Richtig. John. Er war dein Fehler.«
Gillian hustete erneut. »Ich … halte John für … unschuldig«, stieß sie hervor. »Und … dein Kollege … der Staatsanwalt damals … sah das
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