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Beraubt: Roman

Beraubt: Roman

Titel: Beraubt: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Womersley Chris , Thomas Gunkel
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mich nicht jetzt hinbringen?«
    Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Solange Mr. Dalton umherstreift, ist es zu gefährlich.« Sie hatte recht.
    »Was ist das überhaupt für eine Hütte?«
    »Weiß nicht. Steht schon seit Jahren leer. Wahrscheinlich eine alte Bergarbeiterhütte.«
    »Warum wohnst du nicht bei deinem Vater? In einem besseren Haus als dem hier.«
    »Ich hab doch gesagt, mein Vater hat uns verlassen. Und meine Mutter ist tot. Mr. Dalton kennt unser altes Haus. Das hier ist besser, sicherer. Hier oben findet er uns nie.« Sie verschränkte die Arme und lehnte sich an eine bröckelige Wand. »Du weißt ja, wie er ist.«
    Quinn wusste tatsächlich alles über Robert Dalton. Der jüngere Bruder seiner Mutter war untauglich für das Leben in einem so kleinen, primitiven Städtchen wie Flint. Er hielt die Leute für Dummköpfe. Ihm machten die Hitze und die Fliegen zu schaffen, und er sprach sehnsüchtig von seinem früheren Leben im geliebten England, einem Leben, zu dem er – aus unklaren Gründen – nicht mehr zurückkehren konnte.
    »Du solltest dich von ihm fernhalten«, sagte Quinn.
    »Keine Sorge.« Sie fuchtelte mit den Fingern. »Schon als Mutter noch lebte und Thomas im Krieg war, kam er immer bei uns vorbei. Hat gesagt, er wollte sehen, ob er uns helfen könnte, aber Mutter hat geantwortet, bei uns wäre alles in Ordnung, trotzdem vielen Dank, mir nimmt keiner meine Tochter weg. Verdammter Weltverbesserer hat sie ihn genannt. Er war oft da. Ich hab mich dann immer versteckt.«
    »Hier oben?«
    »Auch woanders. Ich habe sehr gute Verstecke. Nach Mutters Tod kam er wieder, aber ich bin weggerannt. Er wollte mich einfangen. Sagte, er wollte mich in ein Kirchenheim in Bathurst bringen. Er hat in den Hügeln nach mir gesucht. Allein kann er mich nicht finden, aber dieser Fährtensucher Gracie ist in Bathurst, um einen Kerl aufzuspüren, der seine Frau umgebracht hat. Der bleibt wahrscheinlich wochenlang weg.«
    »Wann ist deine Mutter gestorben?«
    Sie wurde schwermütig. »Vor ein paar Wochen. Sie war nur fünf Tage lang krank.«
    »Wie heißt du?«
    »Sadie Fox«, sagte sie unsicher. Sie strich sich eine fettige Haarsträhne aus dem Gesicht. »Und du heißt Quinn, stimmt’s?«
    »Woher kennst du meinen Namen?«
    »Quinn Walker«, sagte sie genüsslich. »Alle kennen dich.«
    »Wie meinst du das? Ich war jahrelang nicht mehr hier.«
    »Ich weiß. Alle glauben, du wärst im Krieg gestorben.«
    Quinn dachte an das Telegramm, das ihm seine Mutter gezeigt hatte. Seufzend hockte er sich hin, um die Kletten von seiner Khakihose zu zupfen.
    »Weißt du, wie sie dich nennen?«
    Er blickte auf. »Wer?«
    Das Mädchen freute sich riesig über das, was sie wusste. Vor Aufregung trat sie von einem Fuß auf den anderen. »In der Stadt. Die Leute in der Stadt. Wie sie dich nennen? Sie reden immer noch über das, was du getan hast. Ich hab’s gehört.«
    Quinn ging auf und ab, stocherte an den bröckelnden Wänden und trat mit der Stiefelspitze nach Holzsplittern. »Wie?«, fragte er und versuchte vergeblich, desinteressiert zu klingen.
    »Es gab sogar eine Belohnung, ich hab’s gehört …«
    »Wie?«, blaffte er. »Wie nennen sie mich?«
    Sie wich zurück, behielt aber ihren herausfordernden Ton. »Alle nennen dich den Mörder.«
    Quinn blieb an dem kalten Ofen stehen, der halb im morschen Fußboden eingesunken und mit dem Kot irgendwelcher Tiere übersät war. Er ließ einen Finger über seine rostige Oberfläche gleiten. Er hatte gedacht, wenn er aus der Stadt flüchtete und die Welt durchquerte, könnte er der wichtigsten Tatsache in seinem Leben entrinnen; doch da war sie, eingeschlossen im Gefängnis zweier Worte. Das war zugleich der Grund, warum er nie zurückgekommen war und warum er jetzt zurückkehrte. Der Mörder .
    »Sie sagen, du hättest deine Schwester erstochen«, fuhr das Mädchen fort. »Vor Jahren. Und noch andere Sachen. Sie sagen, du hättest ihr noch was Schlimmeres angetan …«
    »Ich war’s nicht.«
    »Wer dann?«
    Er zögerte und fragte sich, ob er ihr die Wahrheit erzählen sollte, die er noch keinem Menschen enthüllt hatte. »Gott, so was würde ich nie tun …«
    Sie betrachtete ihn immer noch, wartete.
    »Du darfst es keinem erzählen. Auch wenn ich’s dir sage, darf meine Mutter es nicht erfahren.«
    Das Mädchen trat einen Schritt vor. »Ich erzähl’s keinem. Versprochen. Ich schwöre!«
    »Es war mein Onkel«, sagte er schließlich. »Und jemand anders. Ein anderer Mann,

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