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Beraubt: Roman

Beraubt: Roman

Titel: Beraubt: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Womersley Chris , Thomas Gunkel
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Aber es könnte noch schlimmer sein. Mr. Conroy . Mr. Conroy, geht’s Ihrer Frau wieder besser? Gut, gut …«
    Quinn zog sich aus dem Salon zurück, um in der Diele auf Fletcher zu warten. Er wollte unbedingt weg und konnte nur hoffen, dass Mrs. Cranshaw ihm nicht noch mal gegenübertrat. Die Leute eilten an ihm vorbei, einige hielten Zettel umklammert, ihre Gesichter von Kummer oder Freude gezeichnet. Fletcher kam mit hängendem Kopf heraus, da er keine Botschaft von seiner Verlobten erhalten hatte. Er sprach bereits davon, ein anderes Medium aufzusuchen, das besonders talentiert darin war, mit jungen Frauen aus dem Jenseits in Kontakt zu treten.
    Quinn war felsenfest davon überzeugt, dass er sich nie wieder von Fletcher überreden ließe, an solch einer Veranstaltung teilzunehmen. Sie setzten ihre Mützen auf, schlurften zur schweren Tür hinaus und stiegen gerade zur feucht glänzenden Straße hinunter, als sie plötzlich stampfende Schritte hörten. Eine Stimme rief nach ihnen. Quinn drehte sich um und sah, wie das rothaarige Mädchen, ihr Kleid am Knie anhebend, um nicht über den Saum zu stolpern, durch die teppichbedeckte Diele auf sie zugerannt kam. Sie hatte einen knallroten Kopf, und noch bevor er Fletcher um Hilfe bitten oder ihn fragen konnte, wie er sich verhalten sollte, war das Mädchen schon die Treppe herabgesprungen, drückte sich an ihn und schlang die Arme um seine Taille.
    »Vielen, vielen Dank, dass Sie gekommen sind«, flüsterte sie und zog sich dann mit offensichtlichem Widerwillen wieder ins Haus zurück. Der ganze Vorfall dauerte kaum fünf Sekunden, doch Quinn wurde von neuem Unbehagen ergriffen.
    Plötzlich kam Mrs. Cranshaw mit funkelnden Augen und fest zusammengekniffenen Lippen hinter dem Mädchen in die Diele gestürmt. Sie blickte von ihr zu Quinn und dann zu Fletcher. Beunruhigt und verwirrt von dem, was passiert war, strich Quinn seine zerknitterte Uniformjacke glatt und schloss die restlichen Knöpfe. Sein Atem bildete Dampfwölkchen. Der Nieselregen fiel durch den Lichtschein einer Straßenlaterne. Wie in aller Welt hatte er zulassen können, dass ihn Fletcher in dieses schreckliche Haus schleifte?
    Mrs. Cranshaw hatte dem rothaarigen Mädchen inzwischen die Hand auf die Schulter gelegt – keine absolut mütterliche Geste, dachte Quinn. Und das Mädchen stolperte tatsächlich rückwärts, als ihre Mutter – falls diese Frau wirklich ihre Mutter war – die nasse Treppe herunterkam. Fletcher forderte die heranstürmende Mrs. Cranshaw auf, das Mädchen, das nach der Begegnung mit den Toten ein wenig durcheinander zu sein schien, im Auge zu behalten. Doch Mrs. Cranshaw schenkte ihm keine Beachtung und pflanzte sich vor Quinn auf.
    »Was hat sie Ihnen gesagt?«, fragte sie mit leiser Stimme.
    Quinn hatte wegen der feuchten Luft den Kragen seiner Uniformjacke hochgeschlagen und wünschte, er wäre woanders, irgendwo, wo es warm war. Er hielt sich an einer Spitze des Eisenzauns fest. Das kalte, feuchte Metall erinnerte ihn daran, dass er in zwei Tagen wieder in Frankreich sein würde, und er spürte die Sinnlosigkeit seiner Furcht.
    Mrs. Cranshaw trat näher. Regentropfen sammelten sich auf ihren Wimpern. »Ich muss noch mal fragen: Hat sie Ihnen irgendetwas gesagt, Sir?« Ihr Atem hing so dicht wie Kerzenrauch zwischen ihnen in der Luft, und dessen wächserner Duft verstärkte diesen Eindruck noch. Sie musterte ihn von Kopf bis Fuß, als könnte sie so herausfinden, was zwischen ihm und dem Mädchen vorgefallen war. »Wissen Sie, wir verdienen unser Geld mit Botschaften aus dem Jenseits.«
    Über Mrs. Cranshaws Schulter hinweg sah Quinn das Mädchen immer noch in der Diele stehen, ihr Körper gekrümmt wie ein Fragezeichen.
    »Mr. Walker, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Nun, Sir, was hat Margaret Ihnen gesagt?«
    »Nichts. Sie hat kein Wort gesagt.«
    »Sind Sie da sicher, mein Junge?«
    »Ja. Ganz sicher.«
    Mrs. Cranshaw grub mit der Zunge etwas hinter der Unterlippe hervor. Abermals betrachtete sie ihn, doch schließlich murmelte sie irgendwas vor sich hin und watschelte wieder die Stufen hinauf. »Sie brauchen nicht mehr wiederzukommen, Mr. Wakefield«, teilte sie dem erstaunten Fletcher von der obersten Stufe aus mit und schlug die schwere Tür hinter sich zu.
    Erst später, in ihrer Kaserne in Abbey Wood, entdeckte Quinn den Zettel, den ihm das Mädchen bei der Umarmung in die Tasche gesteckt haben musste. Doch auch jetzt noch, in dieser warmen Nacht in einem verlassenen Haus

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