Beraubt: Roman
Versprich’s mir.«
Er blätterte in dem Bündel Geldscheine.
»Quinn, versprichst du’s?«
»Ehrenwort.«
Er verabschiedete sich und wartete auf ihre Erwiderung, doch sie sagte nichts mehr, ob aus Erschöpfung oder Verzweiflung, wusste er nicht. Er tauschte das Wasser in der Schüssel aus und füllte ihr Glas wieder auf. Ein paar Minuten verweilte er noch an ihrer Seite, aber schließlich schlich er davon.
Als er eine Stunde später zur Hütte zurückkam, saß Sadie im Schneidersitz auf dem Fußboden und nagte an einem Hühnerknochen. Zunächst beachtete sie ihn nicht, doch dann blickte sie auf.
»Wie geht’s deiner Mutter?«
Er hockte sich hin. Der Besuch bei seiner Mutter hatte ihn ausgelaugt. Er fühlte sich erschöpft. »Nicht gut. Ich glaube nicht, dass sie noch lange zu leben hat.«
»Du hast geweint.«
»Ja.«
Sadie warf den Hühnerknochen weg und leckte sich die Finger ab. Sie brummte teilnahmsvoll. »Meine Mutter hat vor ihrem Tod ein paar seltsame Sachen gesagt. Dass mein Vater ins Zimmer geflogen wäre, um sie zu besuchen.« Sie schlug ihre krummen Ellbogen wie Flügel gegen die Rippen. »Sie haben Fieber. Ihnen ist nicht immer klar, was sie da sagen. Ginny Reynolds hat zwei Tage lang von kleinen blauen Männchen gefaselt, die um ihr Bett gerannt wären und …«
»Sadie. Wir müssen weg von hier. Wir müssen verschwinden. Jetzt.«
»Geht nicht. Ich warte auf Thomas. Das hab ich dir doch gesagt.«
»Und was ist mit dem Fährtensucher? Er kann jeden Tag zurückkommen, und dann ist Dalton hinter dir her. Hinter uns. Die bringen uns um.«
»Wir haben noch ein bisschen Zeit.«
Das Mädchen konnte einen zur Raserei bringen. »Was, wenn der Fährtensucher früher als Thomas zurückkommt?«, fragte er. »Was tun wir dann? Dann ist es zu spät.«
Sie runzelte die Stirn. Anscheinend hatte sie nicht mal darüber nachgedacht.
»Ich habe Geld«, sagte Quinn in dem Bestreben, sich durchzusetzen. »Wir können von hier verschwinden. Nach Sydney gehen. Sogar nach Queensland.«
Sie sah ihn an. »Ich kann ganz genau rausfinden, wann der Fährtensucher wieder da ist.«
»Wie denn?«
Sie ging über seine Frage hinweg. »Jedenfalls müssen wir erst noch einiges erledigen.«
»Zum Beispiel?«
Sie kam herübergeschlendert und hockte sich vor ihn, und mit ihr kam ihr Geruch nach Zitronen, Erde und Mädchenschweiß. Sie musterte ihn mit ihren dunklen, wässrigen Augen, hob dann die Hand und streichelte seinen Bart. Quinn zuckte zurück. Sadie Fox, so fiebrig vor Energie, dass er Angst hatte, sie könnte ihn durch ihre Berührung verbrennen.
»Ein paar Dinge«, sagte sie.
Sie trabte davon, stöberte im Nebenzimmer herum und kehrte danach zurück, um sich wieder vor ihm auf den Boden zu hocken. Sie nahm sein Gesicht in die Hand und drehte seinen Kopf hin und her. Dann schob sie ihm mit ganz leichtem Druck aufs Kinn den Kopf nach hinten und entblößte seine Kehle. Am unteren Rand seines Blickfelds sah Quinn sein Rasiermesser wie einen Fischschwanz in ihrer Hand schimmern.
Er schreckte zurück, um seine Kehle zu schützen, doch der Stahl war schon an seinem Hals. Mit der anderen Hand hatte Sadie sein Hemd gepackt, damit er sich nicht abrupt bewegen konnte.
»Was ist los?«, fragte sie.
Etwas Kleines schlängelte sich seinen nackten Hals hinab, vielleicht eine Ameise oder eine Spinne, ein Schweißtropfen.
»Hast du gedacht, ich will dich umbringen? Dir die Kehle durchschneiden? Wär dir das nicht egal, Quinn Walker?«
Einen Augenblick verharrten sie so, sie grinsend, er versteinert, bis sie die Klinge an seine Haut drückte und die Ränder seines Bartes trimmte. Dabei schwieg sie und spitzte mitfühlend den Mund, während Quinn die Wasserflecke und Spinnweben an der Decke anstarrte. Das Rasiermesser knisterte an seinen Wangen und seinem Hals. Als Sadie fertig war, lockerte sie ihren Griff und zog die Klinge zurück. Quinn ließ sich auf seine Hacken sinken.
»Ich musste deinen Bart stutzen«, sagte sie, klappte das Rasiermesser zu und gab es ihm. Dann streifte sie die abgeschnittenen Härchen von seinem Hemd und sammelte sie in der Hand wie Eisenspäne. »Jetzt bist du fast fertig.«
»Fertig wofür?«
Doch sie lächelte ihn bloß an, als wäre das eine dumme Frage, auf die er bestimmt die Antwort kannte.
18 Quinn lag auf dem Rücken. Es war Spätnachmittag, heiß. Er fragte sich von Neuem, was er in diesem seltsamen Haus mit Sadie Fox zu suchen hatte. Er hörte sie singen. Trotz ihrer miserablen
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