Bereue - Psychothriller (German Edition)
“Ich bin nicht so eine.” Ihre Augen glänzten feucht, als sie sich umdrehte und davonlief.
“Warte!”, rief er und rannte ihr nach. “Annelie!”
Ihr Schritt wurde langsamer, sie blieb stehen.
Von hinten umarmte er sie und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. “Ich bin verrückt nach dir”, flüsterte er.
Seit Jahren hatte er sich von seiner Mutter anhören dürfen, dass kein Mensch alleine war. Vor Urzeiten hätten die Menschen aus vier Armen, vier Beinen und einem Kopf mit zwei Gesichtern bestanden. Aber der Göttervater Zeus fürchtete ihre Macht, so teilte er sie in der Mitte und verdammte sie, ihr Leben mit der Suche nach der fehlenden anderen Hälfte zu verbringen. Seelenverwandte nannte sie das.
Seit er mit Annelie zusammen war, verstand er es. Mit ihr war er ein Ganzes. Und so sollte es bleiben.
Fünf Wochen und zwei Tage waren sie ein Paar. Sie brauchten keine Worte, um sich zu verstehen. Er erlebte die wunderbarsten Wochen seines Lebens.
Bis er diesen Fehler machte.
Nackt, wie er war, ging er auf sie zu und wollte es ihr erklären. Doch was sollte er sagen.
Tränen rannen über ihre Wangen, als sie ihm wortlos eine Ohrfeige gab.
Und er schlug zurück. Bis heute verstand er nicht, warum. Von dem Moment an hatte sie ihn nicht mehr angesehen.
Mit diesem Tag hatte sich seine Welt verändert. Er hatte sich verändert.
Um weiterleben zu können, hatte er sein Herz in eine Kiste gesperrt. Annelie hatte er verloren, kein anderer Mensch sollte Macht über seine Gefühle haben.
Niemals zuvor und danach hatte er jemandem Gewalt angetan. Bis heute. Und wieder war sie es. Er starrte in der Dunkelheit auf seine Hände. Wie zwei Fremdkörper lagen sie auf seinen Oberschenkeln. Sie hatten Annelie an die Wand geschleudert, hatten sie gewürgt.
Er war nicht besser als sein Vater.
Heiße Tränen brannten in seinen Augen. Es war vorbei. Er hatte es vermasselt. Damals. Heute. Für immer.
Der kaputte Keilriemen weckte ihn. Wieso konnte dieser hirnamputierte Idiot sein Auto nicht richten lassen?
Regen prasselte auf das Dach, im Wagen war es kalt und klamm. Fröstelnd richtete er sich auf und streckte seine schmerzenden Glieder.
Er musste zu Annelie. Das war sein letzter Gang. Vor dem allerletzten.
22
Ein Kitzeln in der Nase weckte sie. Niesend richtete sie sich auf. Evil funkelte sie ungehalten an. Wie konnte sie nur in aller Herrgottsfrüh so ein Theater machen.
“Ist ja gut.” Schlaftrunken streichelte sie ihn. Der schwarze Kater rollte sich auf ihrem Bauch zusammen und schnurrte. Seine Pfoten werkelten in der Luft herum. “Warum legst du dich auch auf mein Gesicht?”
Wärme durchströmte sie, als sie das dankbare Geschöpf kraulte. Vor ein paar Wochen war er ihr zugelaufen. Sie hatte ihn weggejagt, er war wieder gekommen. Sie hatte Zettel in der Nachbarschaft mit seinem Foto verteilt. Niemand vermisste ihn. Dann hatte sie Katzenfutter und ein Katzenklo gekauft. Nun war er ein Teil ihres Lebens.
Gähnend streckte sich der Kater und sprang auf. ‚Futter‘, forderten seine grünen Augen.
“Jaja, gleich.” Ihr Kopf schmerzte, genauso ihr Rücken. Dort wo sie gegen die Wand geprallt war. Was war da gestern passiert? Lange hatte sie nicht einschlafen können. Immer wieder waren diese Minuten durch ihren Kopf gegeistert. Solange sie auch nachgegrübelt hatte, sie hatte keine Erklärung gefunden für das, was mit Benni, nein, mit Ben Biller, los gewesen war. Vor zwanzig Jahren hatte er sie geschlagen. Nie zuvor war er auch nur im Geringsten gewalttätig geworden. Und nun wieder. Ihre Finger glitten über ihren Hals. Als er ihr die Kehle zugedrückt hatte, war da in seinen Augen ein Glitzern gewesen, das sie in Panik versetzt hatte. Sie war ihm ausgeliefert gewesen und sie hasste dieses Gefühl. Männer. Immer mussten sie die Macht haben.
Als er gegangen war, hatte sie Angst in seinen Augen gesehen. Angst vor sich selbst?
‚Vergessen‘, befahl sie sich. Ben Biller war ein Relikt aus ihrer Vergangenheit, das sich kurz zurückgemeldet hatte und wieder aus ihrem Leben verschwunden war.
Evil sprang auf das Bett zurück und knetete miauend die Bettdecke. Seine Krallen zogen Fäden.
“Schluss jetzt! Ich komme ja.” Mühsam quälte sie sich aus dem Bett und tappte barfuß in die Küche hinunter. Evil benahm sich wie ein ausgehungerter Minilöwe, bis sie ihm endlich den vollen Napf vor die Schnauze setzte.
In ihren Haaren glaubte sie, Peters Geruch wahrzunehmen. Er hatte sie
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