Bereue - Psychothriller (German Edition)
“Wenn ich nur wüsste, was mich gestern geritten hat.”
Darüber wollte sie nicht nachdenken. Es machte ihr Angst. “Was hast du mit ‚in Frieden gehen‘ gemeint?”, hakte sie nach.
Er blies in die Tasse, Dampf wirbelte auf. „Irgendein Verrückter will, dass ich mich umbringe.“
Ihre Finger verkrallten sich in Evils Fell. Der Kater mauzte. „Wie kommst du darauf?“
„Da war diese anonyme Nachricht in meinem Briefkasten. Am Samstag.“
„An deinem Geburtstag?“
Er stellte die Tasse ab. Kaffee schwappte über den Rand, lief herunter. „Du weißt das noch?“
„Was stand in der Nachricht?“
„Mein Leben würde sich verändern. Ich solle bereuen und mich u mbringen. So was halt.“ Er stockte, sein Blick wanderte durch den Raum und blieb an einem Punkt links neben ihrem Kopf hängen. „Dann hat jemand meinen Hund umgebracht.“ Er rieb sich die Augen. „Hat mir seinen abgetrennten Kopf vor die Tür gelegt.“
Wie grausam. Sie stellte sich Evils Kopf auf ihrer Türschwelle vor. Aber es gab leider immer wieder Fälle von Tierhassern. „Hat er jemanden gebissen oder angekläfft?“
Ben fuhr auf. „Lucky hat nie jemandem etwas getan. Er war ein guter Hund." Das Kinn in die Hand gestützt starrte er auf den Boden. „Er war ein guter Hund", wiederholte er leise.
Sie zuckte mit den Achseln und nippte an ihrem Kaffee. „Armes Vieh.“
„Dann hat jemand meiner Freundin, jetzt Ex-Freundin, erzählt, ich würde sie betrügen. Sie hat mir eine geknallt und mich angeschrien. Ich bin gar nicht zu Wort gekommen.“
„Und hast du?“
“Was?”
“Sie betrogen.”
„Nein, verdammt!“ Seine flache Hand knallte auf den Tisch. Wütend funkelte er sie an.
Evil sprang von ihrem Schoss. Sie zog ihre Füße auf den Stuhl und schlang ihre Arme um die Knie. Was regte er sich auf, das war doch eine berechtigte Frage. „Warum wundert mich das nur.“
Seufzend lehnte er sich zurück. “Denk von mir, was du willst. Aber ich bin nicht so.”
Sie verdrehte die Augen. Verzerrte Selbstwahrnehmung war ihr in den letzten Jahren oft begegnet. “Und was ist dann passiert?”
„Als ich Montag in die Firma komme, sagen sie, ich hätte Geld veruntreut. Sie haben mir Beweise vor die Nase geknallt. Wenn ich einen Aufhebungsvertrag unterschreibe und das Geld zurückgebe, zeigen sie mich nicht an. Damit könnte ich mir wenigstens die Strafe ersparen.“
Davon hatte sie in der Zeitung gelesen. Nur zu gut erinnerte sie sich an die Schadenfreude, die sie durchströmt hatte. „Und du bist natürlich vollkommen unschuldig.“
„Ja! Aber ich konnte es nicht beweisen. Keine zwei Stunden später erfahre ich von der Bank, ich hätte mein Konto mit über zweihunderttausend Euro überzogen.“ Für einen Moment hielt er inne und rieb sich die Augen. „Von dem Brand hast du ja sicher auch gelesen.” Er registrierte ihr Nicken. “Angeblich habe ich mein Haus selbst angezündet. Das ist Irrsinn.“
„Du hast eine reiche Familie. Daddy wird helfen.“
Energisch schüttelte er den Kopf. „Mein Vater glaubt mir nicht. Er sagt, ich solle die Schuld für meine eigenen Fehler nicht bei anderen suchen. Mein Bruder will nicht mal mit mir reden.“
Richard. Sie erinnerte sich vage an den schüchternen Jungen aus ihrer Klasse. “Was hast du vor?”
Er zuckte die Achseln. “Was schon. Ich bin obdachlos, arbeitslos, hoffnungslos verschuldet und vollkommen alleine.“
“Also bringst du dich um, weil du ein paar Probleme hast und jemand dir eine idiotische Nachricht geschickt hat?”
Mit einem schiefen Grinsen trank er seinen Kaffee aus. “Wenn du es so sehen willst.”
Jetzt war sie es, die auf den Tisch schlug. Mit der Faust. Ihr Knöchel schmerzte. “Was bist du eigentlich für ein verdammtes Weichei? Ich dachte du bist ein Kämpfer. Jetzt klemmst du den Schwanz ein und gibst einfach auf?”
“Kämpfen”, schnaubte er. “Ja, ich habe immer für meine Ziele gekämpft. Aber jetzt haben sich alle meine Ziele als sinnlos oder unerreichbar herausgestellt.”
“Dann such dir neue Ziele!”
Sein Blick flackerte, als er ihr tief in die Augen sah. „Da draußen ist ein Irrer, der mich tot sehen will. Ich hab keine Ahnung, welche Teufelei als nächstens auf mich wartet. Und ich bin schon ganz unten. Aber es ist nicht vorbei. Der verdammte Scheißkerl lässt mich nicht in Ruhe. Nicht bevor ich tot bin.” Die Finger in die Haare verkrallt starrte er auf die Tischplatte. “Und ich hab nichts getan, Herrgott noch
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