Bereue - Psychothriller (German Edition)
die Musik ab. “Erzähl mir alle Einzelheiten.”
Sie setzten sich wieder. Ben schilderte die Vorfälle der letzten Tage in allen Einzelheiten. Es tat gut, mit jemandem zu reden der auch zu hörte.
Zwischendrin kam Andrea, um Richard zum Abendessen zu holen. Er scheuchte sie aus dem Zimmer.
Stille senkte sich über den Raum, Richard nickte langsam vor sich hin, wie um das Gehörte besser zu verarbeiten. „Du musst noch einmal zur Polizei gehen.”
„Ich habe nur noch achtzehn Stunden um sie zu retten. Verstehst du nicht, selbst wenn die Polizei sie suchen würde, sie könnten sie nicht finden.” Er atmete tief durch. “Und ich will nicht sterben.“
Eine Hand in den Haaren vergraben stand Richard auf und wanderte durch das Wohnzimmer. „Wie soll ich dir helfen?“
„Du hast doch beruflich mit Verrückten zu tun. Du kennst solche Leute, weißt, wie sie ticken. Wer ist es? Warum tut er das?“
Ein trockenes Lachen erklang hinter Bens Rücken. “So ist das also. Du denkst, weil ich Psychologe bin, brauche ich nur mit den Fingern zu schnipsen und serviere dir den Kopf deines Verfolgers auf dem Silbertablett.”
“Ich kann meine Gedanken einfach nicht mehr sortieren. Da geht so viel Scheiße ab im Moment. Ich kann nicht klar denken”, rechtfertigte Ben sich.
Richard ließ sich auf die Couch zurücksinken. “Also gut. Analyse eines selbstgerechten Lebens.” Er legte sich einen Finger an die Lippen und starrte in eine andere Welt oder auch in eine andere Zeit. „Du bist auf dem Weg die Karriereleiter hinauf nicht gerade zimperlich gewesen, was ich so mitbekommen habe.“
„Denkst du, es hat mit der Arbeit zu tun?“
“Gut möglich. Wenn ein braver Familienvater sein Haus, seine Frau und seine Kinder verloren hat, weil du ihn gefeuert hast, könnte das jemanden so weit treiben.”
“Ich habe immer den Sozialplan eingehalten. Und gefeuert wurde niemand. Wir haben nur weniger geeigneten Mitarbeitern nahegelegt, einer Aufhebung zuzustimmen.” Genauso wie es ihm nun selbst ergangen war.
Richard schüttelte den Kopf. „So wirklich glaube ich auch nicht, dass es mit deiner Arbeit zu tun hat. Aber du musst begreifen, dass du nicht gerade einfühlsam mit deinen Mitmenschen umgehst.“
„Was soll der Scheiß. Im Leben kommt man nun mal nicht weit, wenn man immer Kuschelkurs fährt.“
“Du musst es ja wissen. Wo stehst du jetzt im Leben? Wie viele Freunde hast du, wenn du zu deinem kleinen Bruder gerannt kommst, sobald es dir dick eingeht.”
Ben starrte zu Boden. Das hatte gesessen. “Okay, ich bin ein verdammtes Arschloch. Das hat Annelie mir auch gesagt. Sie nannte mich ein arrogantes Riesenarschloch.”
“Womit sie den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Und trotzdem hat sie dich in dein Haus gelassen. Sie scheint dich noch mögen.”
“Ach was. Sie ist einfach ein Gutmensch.” Ben warf die Hände in die Luft. “Du weißt schon.”
Richard lächelte in die Ferne. “Sie hat Regenwürmer vom Gehweg gesammelt und in die Wiese gesetzt.”
“Ja, so ist sie.”
Richard nickte schweigend.
“Vielleicht hättet ihr beide doch besser zusammengepasst”, sinnierte Ben.
“Wie meinst du das?”, fragte Richard mit gehobenen Augenbrauen.
“Na, du hast doch auch dieses Helfersyndrom, sonst wärst du kein Therapeut geworden.”
Richard schüttelte lächelnd den Kopf. “Nicht jeder, der Psychologie studiert, will anderen helfen. In diesem Fach tummeln sich viele, die sich Selbstheilung erhoffen. Was aber leider so gut wie unmöglich ist.”
“Bist du auch so einer?”, fragte Ben überrascht. Er kannte seinen Bruder nicht, musste er entsetzt feststellen. Nie hatte er sich für seine Welt interessiert. Er war wirklich ein egoistisches Arschloch.
“Das werde ich gerade dir auf die Nase binden.”
Sie sahen sich an. Offen. Zum ersten Mal seit so vielen Jahren. Ben spürte ein Brennen in den Augen. Nein, nicht jetzt. Er rieb sich die Augenwinkel und drängte das zurück, was da hochkommen wollte. “Wenn ich also so ein Riesenarschloch bin, kann es so ziemlich jeder sein, mit dem ich zu tun hatte.”
„Es muss jemand sein, den du persönlich tief verletzt hast. Eine betrogene Freundin, ein gehörnter Ehemann.“ Richard hob die Augenbrauen.
Ungeduldig schüttelte Ben den Kopf. „Quatsch. Seit Jahren arbeite ich sechzig Stunden die Woche, da habe ich keine Zeit für mehr als eine Frau. Und gebundene Frauen interessieren mich nicht, zu kompliziert.“
Sein Bruder musterte ihn lange. „Hat
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