Bereue - Psychothriller (German Edition)
Schwärze war fast greifbar, organisch.
Mit dem Rücken an der Wand kauerte sie auf den Fliesen und lauschte mit klopfendem Herzen in die Dunkelheit. Erst hörte sie nur das Rauschen ihres Blutes in den Ohren und ihren flachen Atem. Sie hielt die Luft an. Da raschelte etwas. Der Raum schien zum Leben zu erwachen. Krochen die Wände auf sie zu? Die Hände auf das Gesicht gepresst konzentrierte sie sich nur noch auf ihr Gehör. Unsichtbare Tiere tappten, krabbelten, raschelten. Mit den Armen zog sie ihre Beine fest an sich. Ihre Augen irrten in der Dunkelheit umher. Sie schloss sie wieder. Trippelnde Schritte winziger Füße näherten sich von links. Eine Maus, eine Ratte?
Sie streckte ihre Hand aus. Feine Härchen kitzelten an ihren Fingern. Mit dem Zeigefinger schnippte sie in die Richtung des unsichtbaren Näschens. Etwas piepste, das Trippeln entfernte sich.
Etwas berührte ihre Haare. Vorsichtig tastete sie danach und fand etwas Hartes, Kratziges. Eine Art Käfer, vielleicht eine Kakerlake. Sie zog das Tier mit spitzen Fingern heraus und warf es von sich. An Schlaf war nicht zu denken.
Ruhig bleiben, befahl sie sich. Die tun nichts. Wie war das damals im Yogakurs. Atmen, tief atmen und nur auf den Atem konzentrieren. Sie sog die Luft durch die Nase ein und atmete langsam durch den Mund aus. Das waren nur die Geschöpfe der Nacht, keine mörderischen Bestien.
Das Geräusch eines Automotors riss sie aus ihrer Halb-Meditation. Kam er zurück? Eine Autotür schepperte, dann eine Heckklappe. Schritte näherten sich. Etwas knirschte wie ein Schlüssel in einem Schloss.
Fahles Licht drang in den Raum. Je heller es wurde, desto hektischer trappelten die tausend Füßchen, um kurz darauf zu verstummen.
Die Augen gegen das Licht zu Schlitzen verengt versuchte sie ihren Gast zu erkennen. Der Gestalt nach war es Jakob mit einer Petroleumlampe.
Er stellte sie fünf Meter vor ihr auf den Boden und zog den Stuhl heran. Eine flache Schachtel landete darauf. Bis auf drei Meter kam er auf sie zu. Da war noch etwas anderes in seiner Hand, das sie nicht zuordnen konnte.
“Aufstehen”, befahl er.
Sie rührte sich nicht. So langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Helligkeit. Die Lampe stand hinter ihm. Sein Gesicht lag im Schatten. Was war das in seiner Hand. Eine Peitsche, ein Seil? Sie stemmte die Füße in den Boden.
“Aufstehen”, wiederholte er lauter.
Was würde passieren, wenn sie nicht folgte. War er bewaffnet? Er brauchte keine Waffe um sie zu verletzen. Er war viel stärker als sie. “Was willst du von mir?”
“Steh auf!”
Mit dem Rücken an der Wand schob sie sich nach oben. “Okay”, flüsterte sie. Wenn er näher kam, könnte sie ihm einen Tritt in die Eier verpassen. Dann mit den verschränkten Fäusten ein Schlag seitlich gegen den Hals, wie sie es im Selbstverteidigungskurs gelernt hatte. Sobald er auf dem Boden lag, könnte sie seine Taschen nach dem Schlüssel für diese Fußfessel durchsuchen.
Er kam nicht näher. “Umdrehen.”
Oh mein Gott. Sie presste die Lider zusammen. “Jakob. Bitte. Was hast du vor.”
“Umdrehen!”
Den Rücken an der Wand streckte sie ihm die Hände entgegen. “Ich hab dir nie etwas getan. Du weißt das.”
Er kam einen Schritt auf sie zu. Bisher war ihr nie aufgefallen, wie groß er war. Jetzt wirkte er riesig. “Dreh dich um!”
Abwehrend hob sie die Hände. “Ist ja schon gut.” Die Kette klirrte, als sie ihr Gesicht der Wand zu drehte. Wie schmutzig diese Fliesen waren. War das Braune da getrocknetes Rinderblut?
“Hände an die Wand.”
Sie legte ihre zitternden Hände auf die ekligen Fliesen. Die Augen fest geschlossen hörte sie, wie er näher kam. Sie roch seinen sauren Atem, als er ihren rechten Arm packte und auf ihren Rücken drehte. Seine Finger waren feuchtkalt. Er presste ihre Hand in ihren Rücken, sodass ihr Bauch gegen die kalten Fliesen drückte. Etwas Raues wickelte sich um ihr Handgelenk. Ein Seil. Er bog ihren linken Arm auf ihren Rücken und fesselte ihn an den rechten.
Seine Finger vergruben sich in ihren Haaren und pressten ihren Kopf gegen diese grässliche Kuhmörderwand. Ihre Haut brannte, dort wo ihre Wange die Fliesen berührte. Ihr hektischer Atem beförderte den Gestank tief in ihre Lunge hinab.
An den Haaren riss er sie herum. Ein heiserer Schrei entfuhr ihr. Ihre Kopfhaut schmerzte. Es fühlte sich an, als würde er ihr die Haare büschelweise ausreißen. Mit hämmerndem Herzen starrte sie ihn an.
Seine freie Hand
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