Berge des Wahnsinns: 2 Horrorgeschichten
die Reliefs ließen deutlich erkennen, wie die Gebäude und Berge und Plätze und Vorstädte, die Landschaft und die üppige tertiäre Vegetation ausgesehen hatten. Es mußte eine Szenerie von wunderbarer und mystischer Schönheit gewesen sein, bei deren Vorstellung ich fast das klamme Gefühl düsterer Bedrückung vergaß, mit dem das unmenschliche Alter der Stadt, ihre Massivität, Leblosigkeit und Unwirtlichkeit, ihr eisiges Zwielicht meine Lebensgeister gedämpft, ja erstickt hatten. Doch einzelne Reliefs verrieten, daß auch den Bewohnern dieser Stadt selbst dieses würgende, beklemmende Grauen nicht fremd gewesen war; denn es gab eine immer wiederkehrende, düstere Szene, in der die Alten Wesen entsetzt vor einem nie dargestellten Objekt zurückwichen, das in dem großen Fluß gefunden und offenbar durch die welligen, von Weinbergen umgebenden Zykadeenwälder aus den schrecklichen westlichen Bergen herabgeschwemmt worden war.
Erst in dem spät erbauten Haus mit den dekadenten Zeichnungen fanden wir einen schattenhaften Hinweis auf jene letzte Katastrophe, die zur Aufgabe der Stadt geführt hatte. Ohne Zweifel muß es an anderen Stellen noch viele Gravierungen aus derselben Zeit gegeben haben, selbst wenn man die erlahmenden Kräfte und nachlassenden Bemühungen einer aufreibenden und unsicheren Zeit in Rechnung stellt; und tatsächlich fanden wir kurz darauf eindeutige Beweise für die Existenz solcher weiterer Zeichnungen. Doch die zuerst entdeckten blieben die einzigen, die wir tatsächlich zu Gesicht bekamen. Wir wollten zu einem späteren Zeitpunkt weitersuchen; doch wie ich schon sagte, mußten wir uns nach Lage der Dinge zunächst anderen Zielen zuwenden. Natürlich würde es irgendwo eine Grenze geben denn nachdem den Alten Wesen jede Hoffnung auf ein Weiterleben in der Stadt auf lange Zeit hinaus genommen war, mußten notwendigerweise auch die in Stein gemeißelten Bilder völlig aufhören. Der Todesstoß war natürlich der Einbruch der großen Kälte gewesen, die einst den größten Teil der Erde regierte und sich von den unseligen Polen nie mehr zurückgezogen hat einer Kälte, die am anderen Ende der Welt den Untergang der sagenumwobenen Länder Lomar und Hyperborea herbeiführte.
Wann diese Entwicklung in der Antarktis begann, läßt sich
nicht aufs Jahr genau sagen. Heute wird allgemein angenommen, daß die Eiszeiten vor etwa 500000 Jahren einsetzten, doch an den Polen muß diese furchtbare Heimsuchung schon viel früher begonnen haben. Alle quantitativen Schätzungen müssen weitgehend ungenau bleiben, aber es ist sehr wahrscheinlich, daß die dekadenten Reliefs vor bedeutend weniger als einer Million Jahren entstanden waren und die Stadt vollständig und endgültig verlassen war, lange bevor jene, eine halbe Million Jahre zurückliegende Epoche der Erdgeschichte anbrach, die Pleistozän genannt wird.
Auf den dekadenten Reliefs fanden sich überall Anzeichen für eine spärlichere Vegetation und eine Einschränkung des Landlebens bei den Alten Wesen. In den Häusern tauchten Heizgeräte auf, und Winterreisende waren in schützende Stoffe eingemummt. Dann sahen wir eine Reihe von Kartuschen die durchgehenden Friese waren in diesen späten Gebäuden häufig unterbrochen -, auf denen eine dauernde Wanderung zu den nächstgelegenen wärmeren Zufluchtsstätten dargestellt war; manche flohen in Städte auf dem Meeresgrund vor der fernen Küste, andere kletterten durch Labyrinthe von Kalksteinhöhlen unter durchhöhlten Bergen in den schwarzen Abgrund unterirdischer Gewässer hinab.
Dieser Abgrund hatte am Schluß offenbar die meisten Umsiedler aufgenommen. Das war zum Teil sicherlich auf den in der Überlieferung festgelegten heiligen Charakter dieser Gegend zurückzuführen, doch der letzte Beweggrund mag die Möglichkeit gewesen sein, weiterhin die Tempel auf den durchhöhlten Bergen zu benützen und die riesige Stadt als Sommerresidenz und Zugang zu verschiedenen Bergwerken beizubehalten. Die Verbindung zwischen den alten und neuen Wohnstätten wurde durch die Verbesserung der unterirdischen Zugangswege erleichtert; so wurden beispielsweise auch zahlreiche direkte Tunnel von der alten Metropole zu dem schwarzen Abgrund durch die Erde getrieben steil abwärts führende Stollen, deren Eingänge wir nach sorgfältigsten Überlegungen auf unserer Karte einzeichneten. Es zeigte sich, daß mindestens zwei dieser Tunnel in erreichbarer Entfernung von unserem jetzigen Standort lagen; beide befanden
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