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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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nacht mit einigen Vertrauten die Glocke in den Bauch des Löwen zu versenken. Und beglückt zogen sie auf die Dorfstraße.
    Mittags im Zimmer erklärte Kri, der sich schon siegesgewiß spreizte, dem die schöne Mutiyamba zulächelte: der Löwe müsse ihm vor Nacht noch einen Beweis seiner Widerstandskraft geben. Der Löwe fand sich zu allem bereit. Und als man zu Tisch in der großen Halle Matten ausgebreitet hatte und mit Perlschnüren und Brustgehängen beim Fleisch saß, verlangte Kri von Kassangi eine glühende Eisenstange. Dann mußte der Löwe, seine Angst verbeißend, sich Kri nähern. Ein zorniges Bellen ausstoßend schlug Kri ihm das heiße Eisen über die Hinterbeine. Nur einen kleinen Augenblick heulte Entsetzen verbreitend der Löwe, sperrte den Rachen gegen den Hund, der zur Tür huschte, dann zog er den Leib krumm, lächelte fade unter Schmerzen winselnd gegen Kri, der langsam näherkroch. Die Gäste, Kassangi und seine Tochter, sahen den beiden mit Staunen zu.
    Von diesem Augenblick an war das Gesicht des Löwen verändert. Die Zuschauer bei den Spielen in Bedford sahen es. Sie fühlten sich tief berührt. Sie wußten nicht worin die Veränderung lag. Ihnen selbst war dieser Löwe ähnlich geworden. Wie ein Städter wackelte er hilflos mit dem großen Kopf, schnaufte nach wenigen Schritten ohne Atem. Seine Füße zitterten: grauenvoll und besorgt blickte er nach allen Seiten. Und der Hund war nicht mehr Kri. Er trug eine rote Kappe, von der goldene Bänder über Ohren und Hinterkopf herabhingen, die senatorische Kappe.
    Still hockte der Löwe auf der Matte. Man bot ihm zu essen an. Er blickte mit schlaff hängenden Lippen nur auf Kri, der ihn ansah. Da schlang der Löwe gequält und wieder lächelnd seinen Teil herunter. Höhnisch boten ihm die Gäste mehr. Er wollte sich zurückziehen, um seine Schmerzen auszubrüllen, wollte trinken, hatte furchtbare Trockenheit im Rachen. Aber über den kleinen Krug hinaus bot man ihm nichts. Man spielte, speiste lustig, beachtete ihn nicht. Und bevor man aufstand, flüsterte Kri wieder mit Kassangi. Ein Diener brachte die glühende Stange. Der Löwe sah sie nicht, dumpf lag er über seiner Matte. Da schlug das Feuer auf sein Vorderbein. So brüllte er, so warf er aus dem Rachen sein Donnerrollen, daß im Augenblick der Saal geleert war. Er wollte springen. Er konnte nicht. Da erst erinnerte er sich, daß dies eine Probe Kris war. Er biß sich die Zunge, schielte um sich, lahmte zur Tür, sank platt hin. Die Gäste näherten sich lange nicht. Kri wischte seitlich herein, horchte auf das Stöhnen des Freundes, das Flüstern: »Kri! Kri! Nicht böse sein. Komm näher. Ich war nicht vorbereitet. Es ging so plötzlich. Sonst hätte ich nicht gebrüllt. Ich hätte es nicht getan. Verlaß dich drauf! Kri, verlaß dich drauf!«
    Dies war eine Stelle im Spiel, wobei die Hörer in Wut gerieten. »Verlaß dich drauf, Kri. Hund, Hund!« Drohten um sich, ihre Augen funkelten. Manche weinten.
    Kri ließ sich herbei. Die Gäste vor der Tür sahen, wie der Löwe sanft den Kopf an dem elenden grauen Hund rieb. Ihre Angst legte sich, sie fingen wieder zu kichern an. Der Löwe beachtete es nicht, dachte an heute nacht und die Glocken. Es waren auch Glocken, die im letzten Teil des Stücks ununterbrochen geläutet wurden. Unter den Gästen aber, die langsam mit Kassangi und Mutiyamba zurückkehrten, demütig vom Löwen begrüßt, der für seine Unart um Verzeihung bat, lachte einer nicht mit, der zarte arme Liongo. Ihm ging durch den Kopf: »Trüb ist mein Sinn. Die Fasern meines Herzens schwirren. Warum? Ich habe die stolze Nelke gesehen. Eine weiße Ameise zerbeißt zersticht ihre Wurzel. Die stolze Nelke ist bald hin.« Liongo, wie es Abend geworden war und die Gäste mit dem frechen Kri schmausten, trat in das dunkle Gemach des Löwen, verneigte sich vor ihm. Der empfing ihn freudig in seiner trauervollen Einsamkeit. Der Löwe erkannte in Liongo den jungen Sänger des Häuptlings, der das Lob der schönen Mutiyamba in der Steppe Menschen Tieren Bäumen und Seen verkündet hatte. Er schüttelte seine Hand. Nicht zu viel hätte er verkündet von Kassangis Tochter; er sei ihm wohlgesinnt. Liongo strich ihm die Mähne: Ob er sich nicht wohl befinde. Er brachte ihm zwei Krüge kalten Wassers, in die der Löwe wonnig grunzend die Pfoten steckte. »Man hat nicht wohl an dir getan, Löwe.« »Oh« schüttelte der das Haupt, schwieg dann, denn er erinnerte sich seines Versprechens. So sehr

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