Berge Meere und Giganten (German Edition)
angestoßenen Schädel hat, einen kleinen Schädelbruch, der versteht sich auf das Dasein nicht. Hat die Fülle der Existenz nicht durchdrungen. Steht, huhu, als Bettler vor dem Tor.« Er wies mit beiden Händen auf die Aufgegriffenen, die blauen weiten Ärmel wehten zur Schulter zurück: »Hier haben wir Bewohner des Paradieses! Des wiedergeöffneten wiedereroberten Paradieses! Preis uns, die sie sehen! Der liebe Gott, von dem unsere Ureltern gesprochen haben, hat sich erweichen lassen. Er hat eine Ausnahme gemacht. Sie hat er wieder aufgenommen. Und nun: wie geht es euch, liebe Damen? Liebe Herren? Wie sieht der liebe Gott aus, nach so langer Zeit, befindet er sich wohl, donnert er sympathisch, hat er euch in seine Arme geschlossen? War es im ganzen großen ein schönes Wiedersehen? Gedeckter Tisch, wohlige Heizung? Was sagt ihr englischen Freunde, Delvil du, zu unsern Paradiesbewohnern? Es ist doch reizend, daß sie sich herbeigefunden haben, ein Stündchen bei uns zu verweilen. Uns zu beglücken. Sie hatten Mitleid mit uns, wollten erzählen. Aber ich errate alles, auch ohne daß sie sprechen. Diese Geheimnisse! Diese ätherische Schönheit der Gesichter, betrachtet sie, dieser perlmutterartige Glanz der Haut, an den Füßen Händen, im Gesicht. Sie haben dicken Schmutz aufgelegt, um uns nicht weh zu tun, durch ihren Anblick. Sie sind feinfühlig. Das ist Schmutz als Schminke. Ihr meint, sie tragen Lumpen? Delvil, Lumpen? Paradiesesbewohner und Lumpen! Haha! Ihr glaubt, sie sehen wie Skelette aus, wie Menschen, die seit Wochen Stoppeln von den Feldern oder Baumborke essen und reichlich Flußwasser trinken. Und da nicken sie auch, unsere Gäste aus dem Paradies. Ach diese Feinfühligkeit! Die Übertreibung der Empfindungen! Warum seid ihr so bescheiden. Wir sind kräftige Männer und Frauen; wir vertragen schon einen Stoß. Ihr kommt aus dem Paradies. Habt unsere erbärmlichen Stadtschaften verlassen, in denen wir euch totregieren mit Essen, Trinken, mit überlebten Erbärmlichkeiten wie Essen Trinken, in denen wir euch geschunden haben mit wochenlangem Ruhen. Ihr seid ins Paradies zum leibhaftigen – nicht wegzuradierenden lieben Gott gegangen, fort aus den Nichtswürdigkeiten dieses städtischen Daseins, mit seinen bunten Lichtern Waren Flugzeugen Spielen Soßen, hundertfachen Speisen, Weinen, dem ganzen sonstigen Ekel und Folterzeug, auf dem ihr euch gewunden habt von Morgen bis Abend. Und es nahm kein Ende. Unerträgliche Pein, unerträgliche Pein. Das Paradies ging auf, die Straßen brannten ab, die Herren flogen in die Luft, explodierten Freudenfeuerwerk zum großen Einzuge. Ein bibelwürdiges Ereignis. Ihr habt es umschlungen, das Paradies! Habt alles wiedergefunden, wie es Adam stehen gelassen hat. Die ganze Einrichtung habt ihr übernommen. Man sieht euch an, wie ihr vor Rührung schluchztet bei dem Einzug. Eure Augen sind noch ganz rot. Wie habt ihr den Regen begrüßt, die Nässe, unermeßliche Nässe vom Himmel, an die Sintflut erinnernd, vom wirklich richtigen nicht gemalten Himmel. Nässe, die fiel, echt war, mehr, immer mehr. Es wurde euch wonnig klar, daß der Mensch aus dem Wasser stammt und ihr erschauertet! Ihr wolltet Tag und Nacht nicht aus dem Wasser heraus, ihr Glücklichen schwammt, plätschertet darin. An Gräsern und Halmen habt ihr gebissen. Wie hat es geschmeckt. Endlich, endlich eine Speise, unmittelbar wie aus dem Handteller aus der Erde, der alles tragenden gebärenden. Sie ist und bleibt eben die Urmutter! Sie wird es ewig bleiben! Weh dem, der es vergißt. Und dann immer mehr für euch. Krank seid ihr geworden, krank durftet ihr werden. Die Wohltat des Fiebers, die Gnade der Schmerzen, der Schlaflosigkeit kam. Diese Wonne! Kein Mensch, kein Herr, keine Fabrik hat sie euch in solcher Fülle und Ausgewachsenheit schicken können. Ihr wart selig im Gefühl: ich kann nicht schlafen, ich zittere vor Fieber, der Schmerz zerreißt meinen Kopf, mein Kinn, meine Knochen. Wie gut: niemand hilft mir, auf mich selbst bin ich gestellt, ich bin ein Mensch, im Paradies, an der Brust der Natur. Und ich selbst, Ten Keir, was hab ich Verbrecher getan? Ich ließ euch aufgreifen! Verzeiht mir, liebe Freunde. Wir hatten Sehnsucht nach euch! Wir geben euch bald wieder hin an das Zauberreich. Denkt an uns Arme, die gesund und kräftig sind, zu essen, zu trinken haben, warm angezogen sind. Die dies alles erleiden müssen.«
Frau Atorai, füllig und ruhig, in rotem Samt, nickte, während man noch lachte:
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