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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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ist gut. Jetzt ist es gut. Mir ist wohl. Ach ist meinen Armen wohl. Ach ist meinem Kopf wohl. Ich bin gesund. Da, ich zittre nicht mehr. Mir ist ganz gut vom Kopf bis zu den Füßen. Wie hätte ich das geglaubt! Beweg dich. Jetzt kann mir nichts mehr geschehen. Jetzt zerreiß mich, schlag mich, wirf mich zum Fenster hinaus.« Und sie ließ von ihm, dehnte sich selig allein: »Dies ist das Leben, Marduk, sag ich dir. Dies hab ich nun geschenkt bekommen. Du hast es mir geschenkt.«
    In ihm klirrte es. Von der Brust stieg in den Hals eine Verschnürung, seine Arme waren in Eis getaucht. Er hatte einen Widerwillen, eine Wut auf diese Frau. Sie griff ihn an. Man mußte sie belehren. Das saß neben ihm auf der Bank, reckte sich, sprach, Fasern lagen auf dem Tisch zerstreut. Seine Hand griff nach den Fasern, er drehte die Augen nach der Frau: »Dein Gesicht her.« Sie ließ sich die Hände abheben. Ihr Kopf hing nach hinten wie eines schlafenden Kindes. Sie blinzelte, als wenn sie ins Licht blickte. »Laß mich dich ansehn, Marion.« »Ich kann nicht, ich kann nicht, Marduk. Jetzt kann ich doch nicht. Ruf mich an, ruf mich bei dem Namen. Wie ich heiße.« Als er rief, lächelte sie, lachte träumte. Sie horchte, umfaßte mit dem linken Arm seine Schultern. Marduks Gesicht verzerrte sich. Er mußte mit Gewalt seine Wut festhalten. Während er sich spannte, dachte er: dies ist merkwürdig, was hier geschieht. Durch ihn trieb ein Gefühl, das zuckte bis in seine Zähne: man muß sich auf ein Flugzeug setzen, die Steuerung fallenlassen und durch die Wolken hin. Man muß tollkühn sein. Und dabei war eine Schwäche in seinen Lippen Armen. Und noch tiefer in der Brust. Das bewältigen. Sein Grimm stieg. Er schluckte und schlang. Er hatte schon den rechten Arm um sie gelegt, die weiche durchwogte lachende Balladeuse. Da veränderte sich sein Gesicht. Die Spannung war verschlungen, versunken. Er ließ den Arm nicht los, der linke Arm legte sich über ihre vor- und rückwärts schwebende Brust. Das steuerlose Flugzeug war da, das ihn forttragen sollte.
    »Marion« ließ er sich sprechen, verzweifelt, die kalte Nase neben ihrem Ohr, »das ist ein sonderbares Abenteuer, in das du mich führst. Ich weiß, es macht dir Spaß, mich dahin zu führen. Du bist ein tolles Wesen, ich habe viel von dir gehört. Ich soll auch einer von den vielen sein, die auf deiner Strecke liegen. Das willst du, daß das geschehen soll. Ich weiß es.« »Was weißt du, Marduk«, lachte die Balladeuse. »Daß du hergekommen bist, mich zu unterwerfen. Mich unter deine Füße zu kriegen.« Er wollte es, versunken verschlungen, wie er war, hören. Er spitzte seinen Mund, sprach ihr in Gedanken die Antwort vor. Aber sie gehorchte nicht, bewegte sich in seinen Armen: »Es ist die Seligkeit. Du kannst mir sagen, was du willst. Es hat sich erfüllt.« Er rüttelte in einem fragenden Widerstreben an ihr, aber sie wich nicht. Da mußte er nach ihren Schläfen greifen, um ihren Mund mit seinen trockenen Lippen zu berühren; fest drückte er seine Lippen, gewaltsam auf. Aber wie von einer Feueresse prallte er zurück, vor diesem heißen Atem, der langsam strömte aus diesem ruhenden Leib. Die Luft strömte ein. Feucht glänzten die weißen Zähne. Er bettelte in höchster Bestürzung; jetzt war er verloren; seufzte, sich an sie pressend: »Nun ist gut, Marion. Nun hab ich dir gegeben, was du wolltest. Geh jetzt weg. Lebwohl. Nicht wahr, du gehst, du wirst gehen, gleich aus diesem Zimmer. Ich habe viele Geschäfte, wir sitzen hier. Oh, Marion, geh doch. Warum sitzest du hier, was sitzest du hier.« Dabei hielt er sie gepreßt. Von einem Dunst fühlte er sein Gesicht überzogen, als wenn es auftaute. Seine Hände schwollen schwer und heiß an, wuchsen zusammen. Die blonde Divoise richtete sich auf, löste seine Hände von ihrem Hals ab, lächelte, von ihm abrückend, ihm zugewandt, mit kaum gehobenen Lidern: »Jetzt werde ich gehen? Jetzt werde ich gehen? Wohin soll sie denn gehen, die Divoise, Marion. Sie weiß nicht. Komm her, Marduk, steh auf. Steh auf. Deine Beine sind nicht stark, aber stehen kannst du. Da stehst du. Warum soll sie denn gehen. Sie will nicht gehen.« »Was willst du denn. Du sollst gehen.« »Ich bleibe.« Da war er von dem glühenden Hauch überströmt, der Sturm raste durch ihn, er stand da und sah zu, knirschte: »Bleib hier.« Und sie ruhig: »Ich bleibe. Da bist du. Bist du nicht da.« Er sie umschlingend, die stand, er stöhnte lachte wütete:

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