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Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers

Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers

Titel: Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BLV Buchverlag GmbH & Co. KG
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der Welt! Mai 1972 Kathmandu
    September 1975 Salzburg
    Während einer Vortragsreise über die erfolgreiche Kleinexpedition zum Gasherbrum I (Hidden Peak) lese ich von der Durchsteigung der Everest-Südwestwand durch eine britische Mannschaft unter der Leitung von Chris Bonington. Die englischen Tageszeitungen bringen den Erfolg auf der Titelseite. Ich bin sehr aufgeregt. Einerseits, weil den Briten dieser großartige Erfolg in der Nachmonsunzeit gelungen ist, andererseits, weil sie damit einen meiner Tagträume realisiert haben.
    Nairz, Oelz und ich haben Nachmonsun-Expeditionen zum Mount Everest bis dahin für wenig erfolgversprechend angesehen und deshalb auf die erste Vormonsun-Genehmigung gewartet, die frei war. Diese wird für 1978 erteilt. Im März, April, Mai 1978 wollen wir zum höchsten Berg der Welt.
    Aber wie? Nachdem die Südwestwand durchstiegen ist und ich inzwischen drei (kleine) Achttausender erklettert habe, entsteht ein neuer Tagtraum: Everest ohne Sauerstoffgerät! Aus eigener Erfahrung und aus der Historie weiß ich (Colonel Norton kam bereits 1924 bis in knapp 8600 Meter Meereshöhe, ohne dabei ein Sauerstoffgerät einzusetzen), dass der Mensch theoretisch ohne Maske auch höher hinaufsteigen kann als bisher angenommen.
    Herbst 1977 Innsbruck
    Die Vorbereitungen zur Österreichischen Everest-Expedition 1978 laufen. Wolfgang Nairz ist der Leiter. Dr. Raimund Margreiter und Dr. Oswald Oelz sind als Ärzte (und Bergsteiger) dabei. Gleichzeitig wollen sie höhenmedizinische Untersuchungen durchführen.
    Nachdem ich Peter Habeler gegen den Willen der Expeditionsmannschaft als meinen Seilpartner durchgesetzt habe, wird folgender Plan festgelegt: Peter und ich sind Teil der Österreichischen Everest-Expedition. Wir klettern im Rahmen dieses Unternehmens, das über die Hillary-Route zum Gipfel will (mit Sauerstoffgeräten, Hochlagern, Hochträgern), als völlig selbstständige Seilschaft, wobei wir unsere Route und Logistik selbst bestimmen. Wir beide wollen bewusst auf den Einsatz von Sauerstoffmasken verzichten und vom Lager II aufwärts eine eigenständige Route versuchen.
    Ich zahle 30000 DM für unseren Aufwand in die Expeditionskasse ein (Sponsorgelder, HTV-Filmvertrag). Damit steht Peter und mir das Recht zu, auf das Basislager, die Fixseile, die Hochlager, die Sherpas und die medizinische Betreuung der Gesamtexpedition zurückgreifen zu können.
    Winter 1978
    Ich bereite mich auf den Everest-Aufstieg vor. Wie seit Jahren nicht mehr wird trainiert. Ich frage mich dabei nicht, wie hart ich arbeiten muss, um mit dem etwaigen Erfolg später viel Geld zu verdienen. Für mich ist der Tagtraum »Everest by fair means« eine fixe Idee. Ich identifiziere mich mit dem Vorhaben, mit dem Everest-Gipfel, sodass ich mich beim Lauftraining, beim Erwachen am Morgen, in so manchem Traum zu ihm hinaufsteigen sehe. In einer Art Vorausvollzug.
    Natürlich stehe ich auch in Abhängigkeiten zu meinen Sponsoren. Die Realisation meiner Idee muss zuerst finanziert werden. Ich gebe auch in diesem Zusammenhang mein Bestes. Obwohl meine Zeit begrenzt ist. Denn ich muss zuallererst trainieren. Wenn ein Vertragspartner mit meinem Einsatz –1:10 für die Idee – nicht zufrieden ist, muss er sich von mir trennen. Kein Helfer kann mir Training, Vorarbeit und Logistik abnehmen. Niemand sonst als ich, der Idee und Plan entwickelt hat, kann ihn ausführen.
    Der vorletzte Schritt meines Bergsteigens soll die Besteigung des Mount Everest ohne Maske sein, eingebettet in das Sicherheitsnetz einer klassischen Großexpedition. Den letzten Schritt – der höchste Berg der Welt im Alpinstil – wage ich noch nicht zu Ende zu denken. Noch sind beides Realutopien. Ehrgeiz haben sie ebenso entstehen lassen wie Empfindungen (Ästhetik, Schönheit einer Tat). »Everest by fair means.« Das ist wie eine Erfindung. Sie ist langsam und als Ganzes entstanden. Intuitiv. Dabei ging es mir weniger um die Grenze der menschlichen Belastbarkeit als vielmehr um die Ausschöpfung einer Möglichkeit. Und ich glaube an meine Erfindung. Ich lebe im Geiste mit ihr. Zuletzt so, als ob es nichts daneben gäbe. Dass fast alle anderen meine Realutopie für unrealisierbar und gefährlich halten, stört mich wenig. Es bestärkt mich in meinem Bewusstsein, etwas Außergewöhnliches zu wagen. Bremsen aber tut es mich nicht.
    März 1978
    Anreise

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