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Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers

Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers

Titel: Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BLV Buchverlag GmbH & Co. KG
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Leistung einbringen, weil ich verzichte. Mein Verzicht bei diesen Grenzgängen bezieht sich auf die Technologie, auf Helfer. Ich könnte mit dem Skidoo oder im Flugzeug zum Nordpol fahren, hin und zurück, und ich wäre dort gewesen. Aber das interessiert mich nicht. Es reizt mich nicht, weil es keine Leistung ist.
    Ich will bei Grenzgängen von vornherein auf Flugzeug und Motorschlitten verzichten. Nicht nur wegen der Umweltverschmutzung. Wegen des Spiels, dem ich meine Regeln geben! Wenn wir alle anfingen, freiwillig an diesem Wochenende das Auto stehen zu lassen und stattdessen spazieren gingen; wenn wir auf den ununterbrochen laufenden Fernseher, auf das Telefon verzichteten, könnten Werte wie Stille, Harmonie, Ruhe bewusst werden. Wäre das kein Gewinn an Lebensqualität?
    Gewinnmaximierung kann nicht nur darin liegen, dass wir von allem immer mehr haben wollen. Wir verbrauchen auf der Erde in einem Jahrhundert die Energie, die in Zigmillionen Jahren gespeichert worden ist. Die Gewinne daraus werden nicht genutzt, um neue Energieformen zu entwickeln; wir verbrauchen sie. Für immer. Wir haben einen Lebensstandard erreicht, der wahrscheinlich der höchste ist, den die Menschheit je erreicht haben wird. Sicher, noch funktioniert unser System. Rein wirtschaftlich gesehen, sogar ausgezeichnet. Wenn wir aber nicht lernen, freiwillig zu verzichten, werden wir zum Verzicht gezwungen werden.
    Grenzgänge müssen nicht sein. Also muss wenigstens die Einschränkung zwingend sein.
    Nachdem meine Team-Material-Gewicht-Rechnung stand, der Starttag festgelegt und die Zeitdauer der Expedition umrissen war, konnte ich auch an eine Strategie vor Ort denken. Diese allerdings war abhängig vom Wetter, von unserer Akklimatisation und nicht zuletzt von unserer Gesundheit. Also ließen wir unsere Vorgehensweise weitgehend offen.
    Meine Bemühungen beim Ausarbeiten der neuen Strategie galten dem Verhältnis Problemstellung – Lösung. Die Miniaturisierung der Expedition kam dabei nicht nur der Eleganz der Besteigung zugute, sondern auch dem Kostenaufwand.
    Eine Expedition, die zehn Tonnen ins Basislager verschiebt – oft gehen dem weite Flugstrecken und Anfahrtswege voraus – , kostet eine Menge Zeit und vor allem sehr viel Geld. Wenn ich mit einem Hundertstel an Gewicht den gleichen, vielleicht sogar den schnelleren Erfolg erzielen kann, ist die Großexpedition nicht mehr zu rechtfertigen. Mit dem Hidden-Peak-Erfolg kam ich in die Lage, mehr Unternehmungen als bisher auf die Beine zu stellen. Ich war nicht mehr gezwungen, zwischen den Expeditionen so viel zu arbeiten (wegen der Finanzierung) wie bisher.
    Zur Sicherheit: Die Sicherheit in einer Großexpedition ist vielfach nur eine vorgetäuschte. Ein Berg, der über ein halbes Dutzend Lager erschlossen ist – in jedem Lager sitzen normalerweise einige Alpinisten und Hochträger –, ist zwar »abgesichert«, im Falle einer Katastrophe (Sturm, Lawinen, Erdbeben) aber nicht sicherer. Die Todesrisiken sind sogar größer.
    Eine Minimannschaft ist exponierter als eine Gipfelseilschaft auf dem Podest der Großexpedition. Die einzelnen Bergsteiger einer Kleinexpedition gehen größere Risiken ein als der Einzelne in der Großexpedition. Die Summe der Risiken ist bei der Großexpedition aber viel höher.
    Es ist also nicht nur widersinnig, einen Grenzgang doppelt, drei – und vierfach abzusichern, weil damit die Gesamtrisiken steigen, es ist ein Widersinn in sich. Ich bin nicht nur der Meinung, dass Sicherung beim Grenzgang vielfach einem Versuch gleichkommt, fehlende Sicherheit auszugleichen. Vor allem sind Grenzgänge ohne Risiken keine Grenzgänge mehr!
    Die Sicherheit kann nur von innen kommen. Aus unserem Selbstverständnis, das sich nicht zuletzt auch auf Können, auf Erfahrung, auf Ausdauer gründet. Alle Sicherung nützt nichts, wenn mir die Grundvoraussetzungen, zu denen im Grenz-gang auch Instinkte gehören, fehlen. Die Selbstsicherheit ist die Basis jeder Sicherheit. Die Sicherung kann höchstens sporadisch, als Lebensrettung, dazukommen. Als Rettungsanker bei Unvorhergesehenem, Schwäche, Zusammenbrüchen.
    Abenteuer ist heute in totaler Redundanz nicht mehr möglich. Wenn ich alle technischen Errungenschaften einsetze, alle modernen Sicherungsmöglichkeiten mit ins Spiel bringe, sind weder Ausgesetztsein noch Unmöglichkeiten denkbar. Zum Grenzgang gehört

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