Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers
(Dass indirekt der Grenzgang den Grenzgänger ernährt â ich kann vom Verkauf der »Abfallprodukte« leben â, ist kein Widerspruch, sondern eine Tatsache.) Trotzdem bin ich alles andere als ein Idealist. Ich bin Realist.
Diese meine Sachbesessenheit, die manchem AuÃenstehenden skurril, ja verrückt erscheinen mag, macht mich immun gegen Selbstzufriedenheit und Selbstgenügsamkeit. Sie lässt mich wach sein, originelle Lösungen finden, Dinge tun, die nur ich mir wichtig mache.
Ich nehme meine Sache oft so ernst, dass ich mich ihr sogar unterordne, dass ich in ihr aufgehe. Dieses Ganz-bei-der-Sache-Sein hat nichts zu tun mit Selbstdarstellung. Es ist die zwingende Folge des Einsseins mit meinem Tun: Konzep-tion, Verinnerlichung, Selbstverwirklichung. Dabei entsteht ein Zustand des (geistigen und körperlichen) Erregtseins.
Meine Visionen haben immer wieder einen anderen Nährboden. So ist die Kleinexpedition entstanden, weil sie eleganter, billiger, ökologisch sauberer ist als die GroÃexpedition. Sie ist zukunftbezogen in jeder Hinsicht, und sie hat deshalb das Höhenbergsteigen verändert. Auch ein Wirtschaftsunternehmen handelt heute ökologisch, wenn es zukunftbezogen »denkt«. Wer etwas verändern will, ändert zuerst sein Bewusstsein, seine Einstellung, dann die Einstellung seiner Mitarbeiter.
Ziel, Pfeil und Schütze können im Geiste eine Einheit werden.
Es ist im Leben wichtiger, die Berge in unserem Bewusstsein zu versetzen, als einen Baum zu pflanzen oder eine Spur zu hinterlassen.
Wer Ideen nicht nur hat oder träumt, sondern sie wachsen lässt, zu Realutopien formt, und dazu Kraft, Ausdauer und Stehvermögen einbringt, diese in die Tat umzusetzen, verändert immer etwas. Im Gegensatz zu jenen, die ständig mit dem Status quo zufrieden sind; mehr noch, die darauf bedacht sind, den Status quo zu bewahren (aus Angst, Bequemlichkeit, weil sie nicht bei der Sache sind).
Wer die Realisation einer Realutopie wagt, riskiert zu scheitern. Am Ende aber gewinnt er immer. Er lernt, dass Identifikation mit seiner Sache zur Dominanz des AuÃergewöhnlichen über das Gewöhnliche führt. Und zu Bescheidenheit gegenüber der Sache. Erfolg kommt von Besessenheit und Bescheidenheit. Intuition gehört viel weniger dazu als allgemein angenommen. Auch nicht Genie.
Sicher, auch Intuition hat einen wichtigen Platz. Visionen aber halte ich für wichtiger. Und Disziplin. Kreativität folgt einem Gärprozess, und Genie gibt es nicht ohne FleiÃ. Intuition ist zerlegbar. Sie basiert auf Studien und Erfahrungen. Es kommt immer darauf an, wie lange ich mit einer Sache gelebt habe.
Wie oft habe ich, ohne mich dazu zu zwingen, einen Grenzgang vorweggedacht. Durch das Lesen von Büchern. Ich habe die Berichte, Tagebücher, Reportagen meiner Vorgänger nicht gelesen wie Romane, wie Fachliteratur. Ich habe den Stoff vermischt mit Erfahrungen, verinnerlicht. Daraus entstand Intuition.
Das ist nicht Genie. Genie gibt es so selten wie Heldentum. (Beides haben sich vielleicht nur ein paar Intellektuelle ausgedacht, um sich darin sonnen zu können). Nur die Summe aus vielen Erfahrungen und Wissen ergibt Intuition. Der Laie bezeichnet es als Genie.
Viele AuÃenstehende erklären mein Tun als übermenschlich. Weit gefehlt. Ich bin ein ganz normaler Mensch. Die meisten gesunden Personen würden das, was ich tue oder getan habe, auch können. Sie müssten es nur mit der gleichen Vehe-menz wollen, mit der ich es will. Dazu gehört nicht nur das Durch-die-Antarktis-Gehen, das Auf-den-Mount-Everest-Steigen. Das Vorher ist wichtiger. Das Sich-Vorbereiten, das Sich-der-Aufgabe-Unterordnen, das Die-Sache-Sein. Die Besteigung des Mount Everest ist nur der letzte Schritt. Und vor allem in diesem Zusammenhang gilt: Mein letzter Schritt hängt ab von meinem ersten Schritt. Der erste Schritt muss vom letzten abhängen, denn dort ist die Idee »anhängig«.
Dieses Bild stimmt für jedes Tun. Ob sich eine Idee durchsetzen kann, richtet sich nach einigen Begleitumständen: der Potenz dieser Idee, vielen richtigen Schritten, vor allem dem Glauben an das Ziel. Sie hängt nicht nur vom Ideator ab. Wie oft werden Ideen eingezwängt, klein gemacht, aus den Augen verloren, weil sie im leeren Raum hängen bleiben! Wie viele schöpferischen Kräfte werden vergeudet, weil sich die Ideen nicht Glauben verschaffen können!
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