Berger, Fabian
sich behalten können. Völlig gerädert zwang sie sich aus dem Bett und machte sich für ihren Arztbesuch zurecht. Obwohl sie Appetit hatte, entschied sie sich gegen ein Frühstück. Mit knurrendem Magen und unausgeschlafen verließ sie die Wohnung und machte sich auf den Weg.
Die Praxis ihres Hausarztes war an diesem frühen Morgen brechend voll. Sämtliche Stühle im Wartezimmer waren besetzt und trotzdem trafen an der Annahme ständig weitere Patienten ein. Hannah war versucht, auf dem Absatz kehrt zu machen und an einem anderen Tag noch einmal wiederzukommen. Doch sie wusste, dass sich ihr Vater mit der Ausrede einer zu langen Wartezeit nicht zufriedengeben würde. Sie ärgerte sich darüber, dass sie sich nichts zu Lesen mitgenommen hatte, und stellte sich, nachdem sie sich angemeldet hatte, in eine Ecke des überfüllten Raumes. Kurz darauf ertönte die Sprechanlage, um den nächsten Patienten aufzurufen. Hannah nahm auf dem freigewordenen Stuhl Platz. Eine Patientin, die vor ihr eingetroffen war und ebenfalls stehen musste, strafte sie eines bösen Blickes. Hannah blieb nichts anderes übrig als die Reaktion der Frau zu ignorieren. Es würde Stunden dauern, bis sie endlich wieder hier raus war und sie befürchtete, dass ihr Kreislauf zusammenbräche, wenn sie sich nicht ausreichend schonen konnte.
Eine Arzthelferin rief nach ihr. Widerstrebend erhob sich Hannah von ihrem Platz. Ihr war klar, dass der Stuhl nicht mehr frei sein würde, wenn sie ins Wartezimmer zurückkäme. Die Mitarbeiterin ging voran und Hannah folgte ihr in ein Besprechungszimmer. Dort setzte sie sich auf einen Stuhl und erinnerte sich daran, dass sie als Privatpatientin offenbar Privilegien genoss, die anderen Patienten wohl vorenthalten wurden.
Als sich die Tür öffnete, lächelte Doktor Ackermann ihr freundlich entgegen. Er begrüßte sie mit einem Händedruck und ging um den Schreibtisch herum. Hannahs Einschätzung nach war er mindestens fünfzehn Jahre älter als sie. Doch die weichen Gesichtszüge und die charmante Art ließen ihn sehr viel jünger wirken. Er nahm in seinem Ledersessel Platz und stemmte die Ellbogen auf die Tischkante.
»Wo drückt denn der Schuh, Frau Lorenz?«
Hannah konzentrierte sich auf die Fakten. »Gestern Abend wurde mir plötzlich übel und mein Kreislauf spielte verrückt. Seitdem hat sich mein Zustand kaum verbessert. Ich fühle mich schlapp und die Übelkeit kehrt ständig zurück.«
Ackermann zögerte einen Moment, bis er sich schließlich vorbeugte. »Haben Sie gestern im Laufe des Tages etwas Falsches gegessen, oder haben Sie die Beschwerden schon länger?«
»Ich war mit meinem Vater in einem Restaurant und wir haben beide das gleiche gegessen. Er hat keine Beschwerden. Zudem traten die Symptome nicht nach, sondern während des Essens auf. Ansonsten habe ich gestern nichts zu mir genommen.«
Der Doktor griff nach seinem Blutdruckmessgerät und legte die Manschette um ihren Oberarm. Während er die Klettverschlüsse behutsam anzo, stellte er weitere Fragen. »Nehmen Sie zurzeit irgendwelche Medikamente, oder haben Sie übermäßigen Stress?«
»Keine Medikamente. Und Stress hatte ich vorher auch schon. Daran wird es wohl kaum liegen«, schloss sie selbstsicher aus.
Der Arzt legte die Stirn in Falten. »Ihr Blutdruck ist normal. Ich schlage vor, wir machen ein paar Tests und sehen dann weiter. Haben Sie heute Morgen schon gefrühstückt und waren Sie auf Toilette?«
»Weder noch.«
»Wunderbar. Dann nehmen wir am Besten gleich eine Urinprobe und zapfen Ihnen etwas Blut ab. Danach kommen Sie zurück und ich mache wenn nötig eine Ultraschalluntersuchung.«
Hannah schaute auf die Uhr. »Wie lange wird das ungefähr dauern?«
»Etwa zehn Minuten.« Er öffnete ihr die Tür und führte sie zur Annahme. Dann teilte er seiner Assistentin die weitere Vorgehensweise mit und zog sich wieder ins Besprechungszimmer zurück.
Die Arzthelferin drückte ihr einen durchsichtigen Plastikbecher in die Hand und ließ alle anderen Patienten an der ärztlichen Anweisung mit lauter Stimme teilhaben. »Die Toiletten sind vorne links.«
Nach einer Viertelstunde saß Hannah wieder im Besprechungsraum und wartete.
Schließlich trat Doktor Ackermann ein, seinen Blick auf das Untersuchungsergebnis des Urintests gerichtet.
»Frau Lorenz. So, wie es aussieht, haben wir die Ursache für Ihre Beschwerden bereits gefunden. Um ganz sicher zu gehen, möchte ich den Bluttest noch abwarten. Aber Ihre Urinprobe weist
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