Berger, Fabian
Wasserkästen. Er steckte seine Waffe zurück und stapelte die Kisten vor der Mauer zu zwei Stufen übereinander. Eilig erklomm er das Hindernis und sprang auf die andere Seite. Sofort zog er seine Waffe wieder hervor und schlich zur Hintertür. Lautlos drückte er die Klinke hinunter. Dieses Mal hatte er Glück. Die Tür öffnete sich mit einem leisen Knarren. Er huschte durch den schmalen Spalt und trat in den Flur. Nur vereinzelt fielen Lichtstrahlen durch die verbretterten Fenster. Es dauerte eine Weile, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Dünne Plastikfolien schützten den Fußboden im Eingangsbereich vor dem feinen Staub, der die Luft erfüllte. Mehrere aufgeplatzte Säcke Zement säumten den schmalen Gang. Die Wohnungstür im Erdgeschoss war aus ihren Angeln gehoben und lehnte an der nackten Wand des Treppenhauses. Lorenz warf einen kurzen Blick ins Innere und zog sich gleich wieder zurück, raus aus der möglichen Schusslinie. Er umfasste seine Waffe mit festem Griff und streckte sie waagerecht von seinem Körper, bevor er über die Schwelle trat. Die Wände waren von den Tapeten befreit und mit Löchern übersät. Zersprungene Sanitäranlagen türmten sich in einer Ecke des Bades, in dem die Fliesen von den Wänden geschlagen waren. Seine Schuhe glitten über den nackten Beton. Bis auf einem Aschenbecher und zwei leere Bierflaschen war die Wohnung leer. Er kehrte zurück in den Flur. Die Treppe wand sich wie eine Schlange um einen unsichtbaren Kern. Lorenz sah hinauf zu den einzelnen Etagen. Das fahle Licht reichte gerade bis zum zweiten Stockwerk. Die hölzernen Stufen knarrten unter seinen Sohlen, während er mit dem Rücken zur Wand weiter voran schlich, den Blick unentwegt nach oben gerichtet. Er erreichte das Podest des ersten Stocks. Drei Eingänge führten von der Ebene in die dahinterliegenden Räume. Er entschied sich für die Wohnung, die ihm am nächsten war. Die Tür war angelehnt. Vorsichtig schob er sie auf. Er sicherte sämtliche Räume, trat wieder hinaus und näherte sich dem zweiten Eingang. Plötzlich ertönte ein dumpfer Schlag. Das Geräusch hallte durch das Haus, ohne seine Herkunft zu verraten. Lorenz betrat die zweite Wohnung. Vorsichtig schritt er durch den Flur in das angrenzende Zimmer. Auch hier verdeckten grobfaserige Holztafeln anstelle der Fenster die Öffnungen im Mauerwerk und ließen kaum Tageslicht hindurch. Er schaltete das Licht an. Die Glühbirne flackerte auf und erhellte den Raum nur schwach. Ein Laut aus dem Flur ließ ihn aufhorchen. Leise Schritte folgten. Mit ausgestreckter Waffe trat er aus dem Zimmer.
»Wer ist da!«, rief er ins Dunkel.
Kein Ton.
»Hier ist die Polizei!« Lorenz lauschte und wartete. Doch es war immer noch totenstill. Die Glühbirne flackerte erneut auf, als ein Schatten an ihm vorbeihuschte. Er drehte sich zum Ausgang.
»Bleiben Sie stehen!«, schrie Lorenz und rannte hinterher.
Das laute Poltern von Schritten hallte durch das Treppenhaus.
Der Hauptkommissar beugte sich über das Geländer und spähte hinunter. Für einen Moment konnte er den Schatten eines Mannes erkennen. Schwer zu sagen, ob es sich dabei um Konrad Deichmann handelte – er konnte es nur vermuten.
»Herr Deichmann! Bleiben Sie stehen. Ich kann Ihnen helfen!«
Der Mann hielt inne und schaute hinauf. Mit einem letzten Satz erreichte er die Hintertür, öffnete sie und verschwand.
»Verdammter Mist!«, fluchte Lorenz. Er steckte seine Waffe zurück und setzte ihm nach. Unten angekommen riss er die Tür auf, lief den Weg über den Innenhof zurück und kletterte auf eine Mülltonne. Mit einem Satz stand er auch schon auf der Steinmauer und sprang auf den obersten Wasserkasten. Der Turm gab unter ihm nach und Lorenz stürzte auf den Asphalt. Ein heftiger Schmerz durchfuhr seinen Knöchel. Humpelnd setzte er seine Verfolgung fort. Er sah den Mann um die Ecke verschwinden, da raste ein Wagen mit Blaulicht heran. Knapp vor der Durchfahrt kam er zum Stehen. Ein zweiter Wagen folgte. Hannah sprang aus dem ersten Fahrzeug und zog ihre Waffe.
Lorenz streckte seinen Arm aus und deutete auf die Gebäudeecke. »Da lang!«
Hannah nickte ihm zu und sah in die Richtung, in die Deichmann geflüchtet war. Sie befahl den beiden Beamten, die Verfolgung aufzunehmen. Sofort rannten die Kollegen los. Sie eilte zu ihrem Vater. Er stützte sich auf seinen Knien ab und verzog schmerzhaft sein Gesicht.
»Was ist mit dir? Bist du verletzt?«
»Halb so wild. Seht zu, dass
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