Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
es sich aus ihren Armen und verschwand, sie drehte sich mehrfach und wurde in einen Strudel gerissen. Alessandro fiel. Über ihm zuckten Blitze über den Himmel wie ein Kreuz.
»Ja, ich werde Dir dienen«, schrie er in höchster Angst, dann war alles schwarz. Schließlich schälten sich mehrere Gesichter aus der Schwärze. Menschen beugten sich über ihn.
Langsam wurde ihm klar, was geschehen war. Die Passanten hatten ihn, bevor er sprang, von der Brückenmauer gezerrt. Um die Frau mit ihrem Kind zu retten, wäre er beinahe in den Tod gesprungen. Aber Gott hatte ihm erneut einen Schutzengel gesandt. Wortlos, aber nachdrücklich.
Während Alessandro, noch ganz benommen, zum Palast der Medici in der Via Larga schlich, hörte plötzlich der Regen auf, obwohl das Gewitter weiterhin direkt über der Stadt tobte und unablässig seine Blitze herniederschickte. Schon flackerten am Ende mehrerer Straßen Feuer auf. Aber Alessandro kümmerten sie nicht. Er sah die reißenden Fluten vor sich, die schlafende Livia, dann aber wieder den Spanier, der so lustvoll sein R rollte und die Räte von Florenz vor den Kopf gestoßen hatte. Als Alessandro in der Nähe der Kuppel von Santa Maria del Fiore vorbeiging, wurde es für einen Augenblick taghell, und gleichzeitig krachte ein Schlag, der den Dom wie bei einem Erdbeben erzittern ließ. Dachziegeln fielen herab, schlugen neben ihm auf das Pflaster. Sie hätten Alessandro treffen können, aber sie trafen ihn nicht, und er ging ungerührt weiter, und als er bald darauf im Bett lag, schlief er trotz des nur langsam abziehenden Gewitters sofort ein.
Am nächsten Morgen schien die Sonne aus einem klaren Himmel. Sie spiegelte sich in Hunderten von Pfützen, und abertausend Tropfen glitzerten. Die Dächer und Gassen waren reingewaschen, nur an den Stellen, an denen die Bäche, die durch die Gassen geflossen waren, sich an einem Hindernis gestaut hatten, stapelte sich der Unrat. Der Arno war wider Erwarten nicht über die Ufermauern getreten, die Schäden waren weniger schlimm als erwartet. Die Stadt war schon auf den Beinen, weil man sehen wollte, ob die Kuppel getroffen und wirklich ein Blitz durch die Laterne herniedergefahren war bis auf das Kruzifix und den Altar. Die Bürger von Florenz standen in kleinen Gruppen zusammen und diskutieren. Der Blitzeinschlag sei ein unmißverständliches Zeichen Gottes, der verhindern wollte, daß der Prior von San Marco seine Haßpredigten in die Menge schmettere, sagten die einen. Auch die anderen sahen darin ein Zeichen Gottes. Aber es bestätige nur, was der große Fra Girolamo als Stimme des Herrn, als nimmermüder Prophet seit Jahr und Tag den satten und sündigen Menschen entgegenschleudere.
Zur Messe drängten sich fünfzehntausend Menschen in den Dom. Altar und Kruzifix fanden sie unberührt. Gott hatte sich also keineswegs gegen Fra Girolamo gewandt, und so wollten alle den wortgewaltigen Bußprediger hören.
Lorenzo il Magnifico , der unerklärte Herrscher der Stadt, erschien ebenfalls mit seiner Familie, dem ganzen Anhang an Philosophen und Künstlern und natürlich seinem Gast aus Rom. Lorenzo hatte erneut darauf bestanden, daß Alessandro einen Platz in seiner Nähe erhielt, und so konnte Alessandro sowohl den Prior beobachten als auch Cesare. Und er konnte die Reaktionen der neugierigen, faszinierten, gläubigen Menge studieren.
Savonarolas kreisrunde Tonsur ließ die Glatze wie unter einem Heiligenschein leuchten. Seine tiefliegenden großen Augen starrten immer wieder in die Menge, die nicht wagte, seinen Blick zu erwidern. Der Prior war nicht groß, seine Stimme war eher dünn, aber er sprach mit Pathos. Er ließ die Messe von seinen dominikanischen Confratres eröffnen, stieg dann zur Lesung und Deutung des Evangeliums auf die Kanzel. Aus seiner schwarzen Kutte, die er durch kein Meßgewand ausgetauscht hatte, schoß eine Hand mit einem ausgestreckten knochigen Finger und zeigte in die Höhe, in die Kuppel. » Ecce gladius Domini super terram cito et velociter . Siehe das Schwert Gottes über der Erde, schnell und geschwind!« Die Menge zuckte und schaute unwillkürlich nach oben. Wie jeden Sommersonntag schickte die Sonne ihre Strahlen durch die Fenster des Gotteshauses. Aber diesmal sahen die Menschen in ihnen einen Fingerzeig Gottes. Alessandro beobachtete Cesare, der mit heruntergezogenen Mundwinkeln spöttisch und verächtlich lächelte. Lorenzo neben ihm schaute ernst und aufmerksam auf den Prior. Schwere Schatten
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