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Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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Papstgeliebte Giulia, ist einem Trupp Franzosen in die Hände gefallen.« Rosellas Gesicht war ernst geworden. »Hoffentlich …«
    Silvia fühlte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. »Glaubst du …?«
    »Kind, laß uns nach Hause gehen!« unterbrach der Vater ihr Gespräch. »Wir alle stehen in Gottes Hand, und wer weiß, was uns die nächsten Tage noch bringen werden.«
    Er wandte sich zum Gehen. Rosella flüsterte Silvia ins Ohr: »Wenn du Hilfe brauchst, komm zu mir. Unter Prälaten und Soldaten geht es uns Kurtisanen immer besonders gut!«
    Silvia nickte und eilte ihrem Vater nach.
    Am Tag des heiligen Silvester, am einunddreißigsten Dezember des Jahres 1494, marschierte das Heer des Franzosenkönigs unbehindert in Rom ein. Es war schon Nacht, aber die Stadttore, von unzähligen Fackeln hell erleuchtet, standen weit offen. Ein heftiger Wintersturm ließ Regen niederpeitschen. Trotzdem säumten die Römer die Via Lata und jubelten dem französischen Heer zu! »Francia! Francia!« schrie die Menge.
    Silvia hatte sich in Begleitung ihres Vaters aus dem Haus trauen wollen, um mit eigenen Augen zu sehen, wer da die Stadt besetzte. Aber ihr Vater hatte sich in sein Studiolo verzogen, die Botschaft der Sterne zu entziffern versucht und war dann auf die Knie gesunken, um zu beten. »Ich höre deine Mutter«, rief er Silvia zu. »Sie spricht zu mir. Sie sagt, unser Ältester kehre heim. Vielleicht haben sie uns damals den Falschen gebracht. O mein Sohn, darf ich dich endlich wieder in die Arme schließen?«
    Silvia schauderte, als sie die flackernden Augen ihres Vaters sah. Sie ließ ihn allein, zog Männerkleider über und rannte aus dem Haus. Die Straßen waren schwarz vor Menschen. Alle wollten sie die Soldaten sehen und womöglich auch den Franzosenkönig, dem der Ruf vorauseilte, nicht nur gnomenhaft klein, sondern auch abgrundtief häßlich zu sein.
    Bald hatte Silvia den Heereszug erreicht, der im Schein flackernder Fackeln Sturm und Regen trotzte und in erstaunlicher Ordnung in die Stadt marschierte. Vorneweg die Schweizer in ihrer bunten Pluderkleidung, gerüstet mit ellenlangen Piken, hinter ihnen die deutschen Landsknechte mit Streitäxten und Hellebarden. Die Gascogner waren mit Armbrüsten, Arkebusen und leichteren Büchsen bewaffnet. Unüberhörbar folgte den Fußsoldaten die Reiterei. Abertausende von Pferdehufen trappelten über das römische Pflaster. Zuerst die leichte Reiterei. Dann die schwerbewaffneten Ritter, die Lanzen in den Himmel gereckt, die Schwerter gegürtet, Streitkolben am Sattelknauf befestigt. Die Visiere waren heruntergeklappt und ließen die Ritter wie stählerne Wesen aus den Tiefen des Jenseits erscheinen. Auch ihre schweren Schlachtrösser wirkten unter den Rüstungen wie Kampfmaschinen aus einer anderen Welt. Man hatte ihnen zudem Ohren und Schwanz kupiert, wie Silvia voller Mitleid erkannte. Was mußten diese Tiere tragen! Aber wenn sie einmal ins Galoppieren kamen, dann widerstand ihnen niemand, dann walzten sie alles nieder.
    Manchmal, so dachte Silvia, war es doch gut, kein Mann zu sein. Diese Ritter mußten monatelang durch ein fremdes Land ziehen, im Sommer der Hitze ausgesetzt und im Winter der Kälte, dem Regen und dem Sturm. Irgendwann drohte schließlich die Schlacht. Wenn man das Pferd unter ihnen wegstach, was dann? Dann schepperten sie in ihren Rüstungen zu Boden und mußten wie Schildkröten auf dem Rücken abwarten, bis man sie wieder aufrichtete – oder tötete. Wenn sie aber gegeneinander anrannten, die Lanzen angelegt, und diese Lanzen drangen durch das Visier, durch die Augen in den Kopf – Silvia schüttelte sich bei dem Gedanken.
    Vor ihr ratterten nun die Kanonen in die Stadt: die schweren, acht Fuß langen Bronzekanonen, die Feldschlangen und Falkonetten. Immer wieder erhaschte sie den Blick eines Soldaten, der neugierig und hungrig in die Menge schaute, die noch immer »Francia! Francia!« brüllte.
    Plötzlich hielt ihr jemand von hinten die Augen zu. Sie wollte aufschreien, aber schon verschloß eine Hand ihren Mund. Einen Augenblick durchglühte sie die Vorstellung, ihr Bruder könne tatsächlich, wie von den Toten auferstanden, zurückgekehrt sein. Aber sofort verwarf sie diese Vorstellung und trat um sich, bis sie ein wohlbekanntes Lachen hörte.
    »Ich bins, Giovanni«, flüsterte ihr eine Stimme ins Ohr. »Was machst du denn hier?«
    »Das siehst du doch!« Kaum hatte Crispo sie los gelassen, fuhr sie verärgert herum und hätte ihm am

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