Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
schänden und dann ermorden«, keuchte er. »Wie deine Mutter. Ich lasse es nicht zu, nein, ich lasse es diesmal nicht zu!«
Aber an diesem ersten Januar hörte man nur entferntes Geschrei, dann war wieder Ruhe. Abends lautes Weibergelächter und betrunkenes Grölen.
Am zweiten Januar noch immer nichts, und ein mutiger Passant rief ihnen von der Straße zu: »Der König läßt Plünderer hängen! Aber die Soldaten brauchen noch immer Häuser, in denen sie schlafen können. Wer Platz hat, sollte sein Haus freiwillig zur Verfügung stellen. Er wird entschädigt.« Der Mann betrachtete das Portal genauer und verschwand, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.
Am nächsten Tag stand ein Trupp Franzosen vor dem Palazzo der Ruffini, kaum daß es hell geworden war. Sie forderten Einlaß, weil ihre Offiziere ihn für kurze Zeit benötigten. Silvia ging auf den Balkon und hörte sich in aller Ruhe ihre Wünsche an. Zum Schluß pfiffen und johlten die Soldaten, riefen: »Öffne uns dein Tor, junge Frau, wir sind deine Kavaliere!«
Der Vater riß Silvia zurück und schlug die Balkontür zur. Plötzlich steckte im Fensterladen ein Pfeil, und heftige Schläge an die Eingangstür zeigten, daß die Franzosen ihre Forderung ernst meinten.
»Was machen wir jetzt?« fragte Silvia, aber statt einer Antwort rannte ihr Vater in die Kellergewölbe, kam mit einem rostigen Schwert zurück, ließ es dann fallen und verschwand erneut.
»Warte!« hörte sie ihn rufen. »Öffne ihnen nicht! Ich werde mit ihnen verhandeln.«
Silvia kroch auf allen vieren auf den Balkon und spähte nach unten. Tatsächlich schlugen die Soldaten mit allem, was sie hatten, an das Portal. Ein Schuß löste sich. Silvia hörte die Kugel an der Hauswand entlangpfeifen und in die Dachkragung einschlagen. Und dann sah sie ihren Vater. Er mußte durch den Hinterausgang das Haus verlassen haben und stand nun vor den Soldaten. Sie umringten ihn sofort, schrien in mehreren Sprachen auf ihn ein und zeigten immer wieder auf das Portal. Er versuchte sie zu beschwichtigen, sagte etwas, was in dem Lärm unterging. Seine Haare standen nach allen Seiten ab, er fuchtelte mit den Armen, versuchte offensichtlich immer wieder, die Soldaten wegzuschicken.
Plötzlich geschah es. Ein junger Mann unter einem weiten Barett schlug mit der flachen Seite seines Schwerts den Vater auf den Kopf. Der Vater strauchelte. Wie auf Befehl prügelten nun die anderen mit allem, was sie hatten, auf ihn ein. Sofort ging er zu Boden. Sie traten nach ihm. Einer versuchte, ihm den Kopf abzuschlagen, verletzte dabei einen Kameraden, und zwischen den beiden entstand ein heftiger Streit, in den sich auch die anderen einmischten.
Silvia rannte die Treppe nach unten und ließ von den verängstigten Knechten die Truhe zur Seite schieben. Vorsichtig öffnete sie die Eingangstür. Ihr Vater lag blutüberströmt im Dreck der Gosse, die Soldaten prügelten gegenseitig auf sich ein. Blitzschnell zog Silvia den Verwundeten ins Haus und ließ sofort die Tür verbarrikadieren.
»Bringt ihn hoch und verbindet seine Wunden«, befahl sie. Draußen schienen nun die Soldaten entdeckt zu haben, daß der Vater verschwunden war, und bestürmten erneut die Tür. Aber sie hielt ihren Schlägen und Tritten stand.
Silvia schaute nach dem Vater, den man auf sein Bett gelegt hatte. Er blutete aus vielen Wunden. Ein Auge war zugeschwollen. Aber er konnte noch leise sprechen.
»Ich wollte mit ihnen verhandeln«, sagte er. »Aber sie … sie sind tollwütige Tiere.«
Dann verlor er das Bewußtsein.
»Wascht die Wunden aus, verbindet sie, gebt ihm Wasser, los, los!«
Silvia rannte erneut zum Balkon und sah, wie die Franzosen ihren Streit beendet hatten und beratschlagten. Als eine Gruppe Reiter auftauchte, schrien sie alle durcheinander. Die Reiter verschwanden wieder, und dann tranken die Soldaten erst einmal Wein und holten sich aus den angrenzenden Häusern Brot, Schinken, Käse und Oliven. Silvia schaute erneut nach ihrem Vater. Als sie zurückkam, sah sie mit Entsetzen, daß die Franzosen eine Feldschlange herbeigezogen hatten und nun auf das Portal richteten. Erneut herrschten Geschrei und Durcheinander. Die Kanone wurde geladen und ausgerichtet. Ein Kanonier erschien und brüllte seine Kameraden an, weil sie offensichtlich alles falsch gemacht hatten. Eine Traube von Männern verdeckte die Kanone. Schließlich schien doch alles gerichtet zu sein. Der Kanonier ließ sich eine Fackel reichen.
In diesem Augenblick trat
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