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Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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Kind im Vordergrund – keine Heilige, wie mein Giovanni sie malt, auch keine Venusgestalten, wie Botticelli sie geschaffen haben soll. Giovanni hat mir viel von ihnen erzählt. Du kennst sie wahrscheinlich auch.«
    Alessandro nickte. Das Kind auf Silvias Schoß schien nun einschlafen zu wollen, und sie selbst saß da wie eine Gottesmutter, gütig, rein, unnahbar.
    Crispo lachte und mischte sich wieder ins Gespräch ein. »Botticelli hat sich von Savonarola anstecken lassen und ist zu einem bußfertigen Frömmler geworden. Michelangelo tut gut daran, sich hier in Rom seine Aufträge zu holen. Das Klima in Florenz ist zur Zeit kunstfeindlich. Und außerdem wettert der Dominikaner besonders gegen Sodomiten.«
    Er grinste anzüglich. Als weder Silvia noch Alessandro reagierten, ließ er einen Krug Wein holen, schenkte aber selbst ein, nicht ohne auf die Schönheit der Murano-Gläser hinzuweisen, die er Silvia zur Hochzeit geschenkt habe.
    Alessandro schaute Silvia an, und sie erwiderte lange seinen Blick. Schließlich gab sie dem unruhig werdenden Kind einen Kuß, reichte es der Amme und flüsterte ihr etwas zu.
    Und plötzlich trat ein Ungeheuer in den Raum. Alessandro wußte sofort, daß sie es war. Wie eine Geistererscheinung trug sie ein langes weißes Seidenkleid, die Haare offen, das Gesicht war unbedeckt. Rosella.
    Zuerst mußte er seinen Blick abwenden. Aber dann zwang er sich, ihr ins Gesicht zu schauen. Aber Gesicht konnte man nicht nennen, was zwischen der Haarfülle lag. Wo das rechte Auge gewesen war, befand sich jetzt eine aufgerissene, blutunterlaufene Vertiefung ohne Lider und ohne Brauen. Das linke Auge gab es noch: es bewegte sich, wenn auch das untere Lid aufklaffte. Das obere Lid zog sich ein Stück über die Pupille, bedeckte jedoch nie den blutig verwaschenen unteren Teil des Augapfels. Statt einer Nase fand sich eine zerschnittene Fläche. In die Stirn war ein Vulva-Zeichen geschnitten, die Wangen waren kreuz und quer durchzogen und zerfurcht von tiefen Narben. Die Lippen von mehreren Scharten geteilt. Nur das Kinn war weitgehend unberührt geblieben und sah menschlich aus.
    Alessandro glaubte, Rosella lächeln zu sehen. Sie begrüßte ihn, indem sie seine Hand nahm und vorsichtig an den Mund führte. Sie strich ihm wie einem Kind über die Wange. Ihre Stimme war noch die alte, wenn auch die Lippenlaute verschwommen klangen. Alessandro wußte nicht, was er sagen sollte.
    »Ich führe das Leben einer Büßerin. Vielleicht habe ich verdient, was mir angetan wurde«, sagte sie, und wieder konnte man die Bewegungen der Narben nur als Lächeln deuten. »Aber mein Tag wird kommen.« Die Narben im Gesicht verzerrten sich, und nun wurde aus der Büßerin eine grausame Medusa.
    Crispo schaute unwillig auf. »Zum Glück hat uns Cesare Borgia in Ruhe gelassen. Zu was er fähig ist, wissen wir jetzt.«
    Am Abend nach seinem Besuch saß Alessandro zusammengesunken vor dem kalten Kamin seines neuen Palazzos, beleuchtet nur von einem kleinen Talglicht auf dem Sims. Die schwüle Sommernacht ließ Roms Dächer immer wieder durch zuckendes Wetterleuchten hervortreten, dann in unruhige Dunkelheit fallen. Er betrachtete, wie unabsichtlich, seine Hände, die langen Finger, die im Halbmond gepflegter Nägel endeten, den Ring als Zeichen seiner kurialen Würde. Je mehr er in sich versank in dieser nächtlichen Stunde, desto mehr fühlte er ein inwendiges Zittern, das sich nach außen verlagerte und auf seine Finger übertrug. Warfen die fernen Blitze ihre Schlaglichter in sein Studio, fühlte er sich wie die Marmorstatue eines Trauernden. Der Stein ließ ihn nicht frei, aber gleichzeitig schien der Marmor Risse zu bekommen.
45. K APITEL
    Silvia lag im Badezuber, umhüllt vom warmen, duftenden Rosenwasser, und strich zärtlich über ihren sich wölbenden Leib, in dem sich Leben regte. Rosella leistete ihr Gesellschaft, spielte Laute und sang. Unvermittelt fragte sie: »Bist du glücklich?« Silvia brauchte nicht lange nachzudenken, um eine Antwort zu finden. Sie lächelte nur. Auch die zweite Schwangerschaft brachte sie in Hochstimmung. Alles in ihr vibrierte vor Energie. Jedem Tag sah sie mit Freude entgegen, wachte früh auf und schlich barfuß auf die Dachterrasse, um den Vögeln zu lauschen, die in ihren Käfigen um die Wette sangen. Sie selbst hielt sich mehrere Zeisige und auch teure Kanarienvögel und achtete darauf, daß sie gut gepflegt wurden. Schickte dann die Sonne ihre ersten warmen Strahlen über Roms

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