Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
geschrieben? Das Schicksal stiftet Unglück, damit wir besser unseren Wert erkennen können.
Als er sich kaum noch bewegen konnte und seine Haut in blutigen Eiterbeulen glühte, schickte er den herumpfuschenden Bader weg und ließ den Arzt holen, der in Rom berühmt war wegen seiner Behandlung der Seuche. Alessandro wagte, auf den Sud von Guajakholz zu vertrauen, den ihm der Jude verordnete.
Und der Sensenmann schlich des Nachts an seinem Zimmer vorbei, und auch am Tage blieb er vor der Tür.
Alessandro verließ wochenlang nicht seinen Palazzo. Er dämmerte vor sich hin und träumte vom Kampf der Geier und der Adler. Er sah schwarze Vögel auf sich herabstürzen. Sie gruben ihre Schnäbel in seine Haut, die blutig aufplatzte, sie rissen Stücke aus ihm heraus, und er schrie.
Aber eines Morgens fühlte er sich besser.
Der Medicus machte ein zufriedenes Gesicht.
Alessandro wußte, er würde genesen.
Noch immer fühlte er sich schwach. Nun versuchte er, Epikur zu lesen. Er dachte an seine eigenen Gelübde. Er versuchte, Gott herbeizurufen.
Aber der Allmächtige schwieg. ER half ihm nicht. ER blieb der deus absconditus .
Alessandro schaute aus dem Fenster in einen trüben Himmel. Wie ein Gefangener vegetierte er in seiner eigenen Festung dahin, während die Haut in Schuppen abfiel und ihn schrecklich juckte.
Aber der Medicus sah täglich zufriedener aus.
Ein Brief seiner Mutter erreichte Alessandro. Sie mache sich Sorgen, weil sie so lange nichts von ihm gehört habe. »Mein Bruder berichtete mir, du seist krank. Hoffentlich nichts Ernsthaftes. Aber Du hast ja eine starke Natur. Du bist ein Adler! Meinem Leben fehlt nach Angelos Tod jede Freude. Mehr denn je kümmere ich mich um meine Schafe, pflege ich meinen Kräutergarten und stelle neuerdings auch Salben, Pulver, Gesundheitswässer und gelegentlich auch Gifttropfen her.«
Auch Giulia schrieb ihm, ohne von seiner Krankheit zu wissen. Er fühlte einen Funken der Freude, aber als er den Brief las, wurde er schnell wieder trüber Stimmung. Giulia berichtete von einer erneuten Fehlgeburt, an der sie beinahe gestorben wäre. »Gott scheint unser Geschlecht auslöschen zu wollen. Auch unsere Mutter leidet sehr darunter, daß kein männlicher Erbe zu erwarten ist. Immer wieder spricht sie von Angelo.«
Alessandro hätte ihren Brief beinahe in den Kamin geworfen. Dann nahm er ihn wieder in die Hand. Giulia berichtete nun von ihrer Haut. Sie brauche täglich mehr Pflege, die ersten Falten ließen sich nicht mehr verbergen. Obwohl ihre Haare noch immer bis über die Hüfte reichten, brächen sie jetzt an den Spitzen. »Täglich sitze ich ein bis zwei Stunden vor dem Spiegel, um mir meine Schönheit zu erhalten.«
Ein müdes Lächeln umspielte Alessandros Mund.
»Gelegentlich lädt mich mein päpstlicher Geliebter zu einem Treffen in seine Privatgemächer ein oder läßt sich in seiner Sänfte zu mir tragen. Dann kommt es zu einem kleinen Nachspiel zwischen uns beiden, bei dem ich mich jedoch heftig anstrengen muß, um seine Glut wieder anzufachen. Zwischendurch reise ich nach Bassanello, zu Orso. Dann ist viel von Jagd und von den eingekerkerten Verwandten die Rede. Nachts läßt mein Bärchen mich meist in Ruhe. Ich bin froh drum. Die Freuden der Liebe nutzen sich ab. Und dann beunruhigt uns auch die neue Seuche.«
Als Alessandro die Einladung zu der Hochzeit von Giovanni Crispo und Silvia Ruffini in den Händen hielt, sah seine Haut noch immer entstellt aus. Er wußte nicht, ob er froh sein sollte, eine Entschuldigung zu haben, die Erniedrigung dieser Hochzeitsfeier zu umgehen. Während er mit der Einladung in den Händen am Fenster stand, grummelte in der Ferne ein Gewitter. Einzelne dumpfe Donnerschläge rollten über die Häuser der Stadt, als würden schwere Bombarden ihre todbringenden Geschosse losschicken, um das Ewige Rom zu zermalmen. Und die Blitze erhellten den Himmel wie unlesbare Botschaften.
Alessandro spürte einen Stich in seinem Herzen. Ja, Silvia, seine Silvia, heiratete den Schönling Crispo. Nach Jahren des Wartens und des Unglücks geschah es endlich. Er wollte ihr einen Brief schreiben, aber dann dachte er an Cesares Rat und sah sich nicht mehr in der Lage, auch nur eine echt klingende Zeile auf das Papier zu bringen. Er ließ dem Hochzeitspaar eine Botschaft überbringen, sobald er wieder gesund sei, werde er sie persönlich beglückwünschen und ein Geschenk vorbeibringen.
Und dann dauerte es ein Jahr, bis er endlich die Kraft
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