Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
konnte zwar den Drachen besiegen und die Jungfrau befreien, starb aber einen grausamen Märtyrertod. Junger Mann , denke an deine Zukunft !«
Kardinal della Rovere war aufgestanden und hatte sich Alessandro genähert. Trotz seiner beiden tiefen Falten zwischen den Augenbrauen umfaßte er Alessandros Kopf und zog ihn zu sich heran. Ja, er drückte ihn kurz an seine Brust und wandte sich dann ab.
»Mir sind leider nur drei Töchter geblieben«, sagte er mit belegter Stimme. Dann wandte er sich wieder an Alessandro. »Hör zu, mein Junge. Du bist hier gefangen, weil der Heilige Vater befürchtet, dein Bruder Angelo, der werdende Condottiere, könnte sich noch enger an die Orsini binden und eine feindliche Politik gegen die Kurie betreiben. Außerdem fand deine Mutter … Wie dem auch sei. Du bist noch jung, aber wenn du es geschickt anstellst und wenn ich demnächst zum Papst gewählt werde und nicht etwa der Katalane, dann verspreche ich dir …« Der Kardinal näherte ihm wieder sein Gesicht und flüsterte nun: »Ich brauche ein offenes Ohr und die Gabe der Verstellung, ich brauche jemanden, der klug wie ein Fuchs ist, aber noch nicht mächtig wie ein Löwe. Mächtige läßt man nicht aus den Augen, und sie leben gefährlich … Verstehst du mich?«
Alessandro schaute ihn lange prüfend an; schließlich nickte er.
»Du kannst auf mich setzen«, fuhr der Kardinal fort. »Aber denke immer daran: Die spanische Partei kennt keine Skrupel. Und am skrupellosesten ist unser reizender Lebemann Rodrigo aus dem Hause Borgia. Laß dich nie von ihm einwickeln! Er ist falsch und gewandt wie eine Schlange.«
Der Kardinal war aufgestanden, schob ihm einen Beutel mit Münzen in die Hand und wandte sich zum Gehen. Aber dann drehte er sich noch einmal um und drückte ihn an sich. Alessandro war erschrocken über diese Geste, er war auch erschrocken über die Kraft und Festigkeit des Körpers, der ihn umarmte. Unter seinem langen Purpurgewand hatte dieser Mann den Körper eines Kriegers.
Kardinal della Rovere stieg mit schnellen Schritten die Treppe hinunter. Unten hörte Alessandro den Kastellan katzbuckeln und schmeicheln. Alessandro zog sich wieder mehrfach den Deckenbalken hoch. Er hatte seine Kraft noch nicht verloren, und wer auch immer veranlaßt hatte, ihn hier einzusperren – dieser Jemand konnte ihm nicht auf diese Art seinen Willen aufzwingen.
Alessandro wanderte unruhig auf und ab und ließ seinen Gedanken freien Lauf. Obwohl nur der Zweitgeborene, würde er einmal der Berühmteste seines Geschlechts sein, der Mann, von dem ganz Rom sprach, der die Farnese endlich aus dem Schatten der Orsini und Colonna herausführte. Und aus dem Schatten der Borgia natürlich, der spanischen Eindringlinge, die sich anmaßten, in Rom den Ton angeben zu wollen, nur weil einer von ihnen, der Onkel des jetzigen Kardinals, zum Papst gewählt worden war. Alessandro war Kardinal Rodrigo Borgia mehrfach begegnet, einem Mann von beeindruckend mächtiger Statur und einer schönen Stimme, freundlich, jovial, immer gut gelaunt. Ein Liebhaber des weiblichen Geschlechts, dies war allgemein bekannt. Mehrere Kinder sollte er haben, davon drei oder vier von einer einzigen Frau, und er vergötterte sie. Der Neffe eines Papstes, der selbst die Papstwürde anstrebte, setzte sich mit großer Selbstverständlichkeit über die kanonischen Gebote hinweg, die Keuschheit und Kinderlosigkeit verlangten!
Alessandro blieb nachdenklich in seiner Zelle stehen. Alle Kardinäle und Prälaten vögelten nach Lust und Liebe, hielten sich Konkubinen oder wanderten von Kurtisane zu Kurtisane. Vögeln war wie Essen und Trinken. Jesus, der Mann aus Nazareth dagegen – vielleicht war er doch in den Armen Maria Magdalenas weich geworden. Seine Jünger beschönigten die Wahrheit ein wenig, um das Vorbild ohne Makel erscheinen zu lassen. Alessandros Lehrer an der Accademia Romana hatten ihm genügend über das antike Herrscherlob und all die Panegyriker erzählt. Man machte aus dem König einen soter , einen Retter und Heiland, schließlich einen Gott. Und den Zimmermannssohn und Wunderheiler, der im jüdischen Land umherwanderte und dem einfachen Volk predigte wie vorher schon andere Propheten, erklärten sie zum Gottessohn. Aber warum durfte man sich als sein Jünger und Diener nicht fortpflanzen? Warum sollte man nicht heiraten? Einen überzeugenden Grund dafür hatte ihm noch keiner verraten können. Christus’ höchster Jünger und erster Papst, der heilige Petrus,
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