Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
aufgeregtes Huhn einfangen. Und denke daran, was uns auf dem Weg nach Bracciano zugestoßen ist. Die Straßen Roms sind, insbesondere nachts, voll von gewalttätigen Männern. Junge Mädchen werden aufgegriffen und an die Türken oder Mauren verkauft. Und vorher …«
Silvia wollte Rosellas Versprechung Glauben schenken, aber es gelang ihr nicht. Ihr Vater wirkte so abweisend und entschlossen. Er wollte ungestört sein bei seinem Treiben mit seiner neuen Geliebten. Und auch Rosella mußte es recht sein, wenn die Tochter aus dem Haus war. Dann konnte sie erst richtig schalten und walten, wie sie wollte. Wahrscheinlich wurde ein Komplott geschmiedet. Rosella tat zwar so, als hielte sie zu Silvia, aber in Wirklichkeit betrieb sie ihre Vertreibung ins Kloster. Silvia mußte an Alessandro denken. Zuerst er … und jetzt sie … beide waren sie eingesperrt … verband sie nicht das gleiche Schicksal?
Rosella schaute aus dem Fenster und wechselte das Thema. Sie erzählte nun von Überfällen auf Pilger und geschändeten Wäscherinnen. Von jungen Adelssprößlingen, die auf Abenteuersuche gingen und allzugern miteinander rauften. »Aber dabei bleibt es nicht. Sie haben ein zu hitziges Gemüt und greifen sofort nach ihrem Degen, und am nächsten Morgen findet man dann einen Colonna oder Orsini im eigenen Blut liegen. Oder man fischt ihn aus dem Tiber.«
Während Rosella sprach, mußte Silvia an ihren ältesten Bruder denken, der häufig nachts umhergezogen war und ebenfalls sehr schnell seinen Degen gezückt hatte. Niemand hatte seinen Tod aufklären können. »Ein Raubmord«, hieß es. Tatsächlich fehlte auch seine Börse. Aber warum hatte man ihn so zugerichtet? Vielleicht war es um etwas ganz anderes gegangen: um eine Fehde. Oder um eine Frau.
Rosella wurde plötzlich sehr lebendig. »Wenn sie sich genug geprügelt haben«, fuhr sie fort, »ziehen sie anschließend von einer Kurtisane zur anderen und lassen sich verwöhnen. Und machen ihnen reiche Geschenke. Hast du die Kurtisanen während der Messe schon einmal beobachtet, wie sie auftreten, in ihren goldschweren Gewändern, mit ihren funkelnden Edelsteinen? Wie Herzoginnen! Umgeben von schwarzen Dienern und jungen Tscherkessinnen. Manche fahren sogar Kutsche! Sie können schön singen, klug plaudern, einige dichten ganz ordentlich, und in der Kunst der Liebe übertrifft sie niemand. Sie ernähren eine große famiglia und zahlen hohe Steuern, sie kennen die meisten Kardinäle und Prälaten und die Männer aus den besten Familien. Cortigiana honesta curiam sequens dürfen sich die erfolgreichsten nennen! Aber sie verdienen diesen Ehrentitel auch!«
Rosellas Gesicht hatte eine leichte Röte überzogen, und die Augen leuchteten. »Diese Frauen beherrschen die Männer. Viele von ihnen besitzen Mietshäuser und verleihen sogar Geld, wenn sie alt geworden sind.« Sie strich sich über ihren Bauch und verzog ihren Mund verächtlich nach unten. »Den Balg werfe ich in den Tiber.«
»Das darfst du nicht«, rief Silvia. »Nur Gott darf Leben geben und nehmen. Die sbirren werden dich in den Torre di Nona sperren, und später wirst du hingerichtet.«
Rosella schnaubte vor Verachtung.
In diesem Augenblick bewunderte Silvia sie. Sie selbst wurde ins Kloster abgeschoben, aber Rosella war stark, obwohl sie ein Kind unter dem Herzen trug. Rosella war als schmutzige Dienstmagd in das Haus der Ruffini gekommen und nahm schon jetzt die Stelle der Herrin ein. Und sie sang inzwischen so schön wie eine Nachtigall in den Morgenstunden.
Am nächsten Morgen wurde Silvia früh geweckt. Der Weg ins Kloster stand ihr bevor. Der Vater tauchte verschlafen auf und gab Anweisungen, Rosella war nirgendwo zu entdecken. Neben einer kleinen Truhe durfte Silvia nur eine Bibel, ihren Rosenkranz aus Ebenholz und ihr kleines Kruzifix mitnehmen. Als sie das Haus verließ, winkte ihr der Vater noch einmal zu. Sie rannte zu ihm, klammerte sich an ihn. Auch er drückte sie nun an sich.
»Lerne Gehorsam und Verschwiegenheit und zügle deine Neugier!« flüsterte er.
Als die Kutsche den Tiber überquerte, wäre sie am liebsten in den Fluß gesprungen. Aber das Trampel, das noch nie viel gesprochen hatte und auch jetzt den Mund nicht öffnete, saß drohend neben ihr und beobachtete jede ihrer Bewegungen. Draußen auf der Brücke starrten zahnlose Männer vor sich hin, Wasserträger schwitzten unter ihrer Last, und Schweine wurden in die Stadt getrieben. Hoch zu Pferd ritt ein junger schöner Edelmann
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