Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
lauten »Hohoho« auf die Schenkel. »Da muß ich meine Engelchen fragen. Vielleicht schließen sie dich ja noch in ihr Herz.« Und wieder stieß er ein Kichern und Krähen aus.
Die Wärter hatten sich eine Hure von der Straße geholt und machten sich über sie her. Die Frau schrie und rief etwas in einem neapolitanischen Dialekt, den Alessandro nicht verstand. Als Antwort stöhnte der eine, der andere grunzte ein »Mach schnell!«.
Silvias Brief in den Händen, verzog Alessandro sich in die hinterste Ecke seiner Zelle. Der Empfang des Briefes hatte ihn einen halben Dukaten gekostet. Für den Transport seines eigenen hatte er den Kastellan dreimal im Schach besiegen müssen. Der ochsenäugige Wärter, der ihn zu den Ruffini bringen sollte, maulte über seinen Auftrag, gab sich aber dann doch zufrieden und kam gutgelaunt zurück, weil er reichlich entlohnt worden war.
Die Wärter spielten mit der Hure Vergewaltigung und boten sie anschließend freundschaftlich Alessandro an. Er fand sie aber zu schmutzig. Spuren der Krätze, Ausschlag über den Körper verteilt und Läuse in den Haaren. Außerdem stank sie wie alle hier. Alessandro winkte dankend ab, ließ sie dafür aber seinen Eimer zum Abtritt hinuntertragen.
Er legte sich auf die Pritsche und las noch einmal Silvias Brief. Sie wollte ihn erretten. Sie sah sich als Ariadne an der Seite des Theseus. Aber wo fand er den Minotaurus? Wem ähnelte das teuflische Fabelwesen? Sicher nicht dem Kastellan, dem Herrn der Fledermäuse, und sicher nicht dem Papst, dem Herrn der gläubigen Seelen. Und sollte er selbst ein Theseus sein, ein Minotaurus-Bezwinger, der die hilfreiche Ariadne zwar mit aufs Schiff nahm, sie dann jedoch auf Naxos zurückließ? Vielleicht hatte die kleine Silvia nicht alle Analogien durchdacht. Dennoch rührten ihn ihre Zeilen. Noch einmal las er den Brief, und während er las, sah er sie schreiben, sah sie regelrecht leuchten in ihrer jungfräulichen, engelhaften Reinheit.
Er sprang von seiner Pritsche auf, hielt sich an zwei Deckenbalken fest und zog sich mehrmals in die Höhe. Silvias Bild machte den Aufenthalt in seinem Gefängnis nicht leichter. Überhaupt wurde das Herumhocken ohne den täglichen Ausritt, ohne Fechtübungen und Laufen, ohne nächtliche Besuche bei den schönen Frauen von Tag zu Tag unerträglicher.
»Gaukler, auf die Hände!« grölte der Wärter, dessen Gesicht mit einer Höckernase und wulstigen Augenbrauen an einen Ziegenbock erinnerte.
Alessandro ließ sich fallen, nach hinten abrollen und versuchte, sich dann mit beiden Armen hochzustemmen. Der Ziegenbock war herangekommen. »Hilf mir, ich komme nicht allein hoch«, stieß Alessandro hervor, aber die Höckernase half ihm nicht, sondern griff ihm unter grölendem Lachen an seine Hoden. Blitzschnell nahm Alessandro seinen Kopf zwischen die Beine und zwang ihn zu Boden. Der ochsenäugige Wärter kam herangetölpelt, aber Alessandro war schon wieder auf den Beinen. »War nur ein Scherz«, rief er, »ich muß bei Kräften bleiben.«
Beide Wärter glotzten ihn an, und er warf ihnen einen Marchetto zu. »Besorgt mir saubere Bettwäsche.«
Das Ochsenauge glotzte noch immer, der Ziegenbock wollte ihm einen Faustschlag versetzen, aber Alessandro wich geschickt aus.
»Jetzt aber Schluß!« rief er. »Denkt an den Lohn, den euch die Madonna versprochen hat.«
»Ich habe noch keine Madonna gesehen«, war die Antwort, und: »Fick deine Madonna!«
Aber dann vertrugen sie sich wieder und boxten sich freundschaftlich auf die Brust.
Als die stickige Hitze ihren Bewegungsdrang zu lähmen begann und sich alle auf ihren Pritschen ausstreckten, hörte Alessandro den Kastellan vom Eingang des Turms her etwas brüllen. Er strich sich die Haare glatt, richtete sein verrutschtes Hemd, zog die Ärmel hoch und legte seinen Kopf in den Nacken, um eine hochmütige Miene zu proben. Er drehte den Kopf ein wenig zur Seite, hob die Augenbrauen und blickte nach unten. »Küßt mir den Ring, und auf die Knie!« stieß er hervor.
»Was?« Der eine Wärter stierte ihn wieder aus seinen blutunterlaufenen Ochsenaugen an.
Der andere stürzte plötzlich auf die Knie.
Zuerst schob sich der flache runde Kardinalshut die Treppe hoch, dann folgte ein schlanker Mann in Purpur. Der Mann atmete beschleunigt, keuchte aber nicht. Ein prüfender Blick aus tiefliegenden Augen. Eine Hand wurde Alessandro hingehalten. Alessandro ging leicht in die Knie und küßte den Ring. Er wußte, wer den Weg durch die Gänge
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