Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
war verheiratet, und sein Herr hat sich nicht daran gestört. Nirgendwo in der Heiligen Schrift forderte er die Ehelosigkeit der Priester.
Das Zölibat hatten frauenfeindliche Päpste und Kardinäle im zweiten Laterankonzil durchgesetzt, Männer, die wie der Kirchenvater Tertullian in der Frau einen Tempel über einer Kloake sahen, des Teufels Pforte . Der Borgia dachte sicherlich nicht so wie der alte Eunuch aus Karthago. Er las morgens die Messe und ging anschließend zu seiner Geliebten, um gut zu essen und zum Nachtisch einen Sohn zu zeugen. Vor dem Abendessen spielte er mit seinen Kindern, und nachts trieb er sich noch bei einer der sanft singenden Kurtisanen herum. Zwischendurch dachte er darüber nach, wie er sich die fettesten Happen der Kirche unter den Nagel reißen konnte. Das war der Borgia, der Italienisch nur mit einem hart rollenden R sprach, aber schmeicheln konnte wie eine geübte Kupplerin.
Alessandro stellte sich an das winzige Fenster seiner Zelle, durch das die untergehende Sonne einen gelbglühenden Lichtstrahl schickte, und er schloß geblendet die Augen. Er faltete die Hände und flüsterte: »Herr, hilf deinem Diener! Laß ihn seinen Weg gehen! Erleuchte ihn! Und gib ihm eine nie erlahmende Kraft!«
5. K APITEL
Silvia wachte schon beim ersten Sonnenstrahl auf und fürchtete, ihrem Vater zu begegnen. Er ließ sich jedoch nicht sehen, auch Rosella begegnete ihr nicht. Stumme Tage folgten. Rosella tauchte wieder auf, einsilbig und mißgelaunt. Der Vater, dem Silvia schließlich doch über den Weg lief, übersah sie. Dann plötzlich verkündete er ihr, ohne Erklärungen, sie werde in Zukunft im Kloster Santa Cecilia leben.
Sie senkte den Kopf, warf ihm dann aber einen Blick zu, der ihn umstimmen sollte. Sie war doch seine einzige Tochter, sein letztes ihm verbliebenes Kind! Hatten sie nicht kuschelige Abende vor dem Kamin verbracht, waren ausgeritten in die Weinberge, hatten in den Ruinen herumgestöbert, gemeinsam musiziert, sogar Apuleius’ Metamorphosen gelesen! War sie nicht um ein Haar der Schändung, womöglich dem Tod entgangen! Und nun verbannte er sie ins Kloster!
»Warum?« heulte sie los.
Er stand in der Tür wie ein Erzengel und ließ sich nicht erweichen, obwohl auch ihm die Augen feucht wurden. »Deine Mutter lebt nicht mehr, und ein junges Mädchen braucht einen geschützten Ort, an dem sie ungestört wachsen kann, bevor sie in Reinheit und Keuschheit erblüht.«
Silvia heulte immer noch, aber jetzt vor Wut. »Und was ist mit Bianca? Soll ich denn überhaupt nicht mehr reiten dürfen? Und mein kleiner Zeisig?«
»Du wirst ohne deine Tiere gehen und ohne deine Bücher. Das Kloster in Trastevere wird dir alles bieten, was deine Neugierde befriedigen kann.« Bevor er sich umdrehte und den Raum verließ, erklärte er noch in bedeutsamem Ton: »Aus den größten Sünderinnen können die größten Heiligen werden.«
Sie verstand nicht, was er sagen wollte, aber bevor sie antworten konnte, war er schon verschwunden.
Silvia ballte die Fäuste und drückte sie dann auf ihre Augen, bis rötliche Sterne durch die Dunkelheit schossen. Plötzlich hörte sie Rosella lachen, die, ohne daß Silvia es bemerkt hatte, hinzugekommen war. Mit geschwollenen Augen starrte Silvia sie an. Rosella lachte sie aus! Aber es war kein mitleidvolles oder auch spöttisches Lachen, sondern ein Lachen, das wie ein Dämon von ihrem Körper Besitz ergriff, es schüttelte sie und riß ihr die Zähne auseinander, ihr schwerer Bauch schwang hin und her wie eine riesige Schweinsblase. Plötzlich verließ der Dämon sie wieder, sie fiel zusammen und schluchzte auf, drückte Silvia an ihren Bauch und flüsterte: »Du wirst ihn noch lieben.«
Meinte sie ihren Vater? Oder Alessandro? Oder das Kind in ihrem Leib?
Silvias Augen füllten sich mit Tränen. Sie hockte sich zu Rosella in die Fensternische, und beide weinten. Die Tränen liefen die Wangen hinunter. Silvia schneuzte sich, dann auch Rosella. Sie merkte, wie mit den Tränen die Trauer weggeschwemmt wurde. Rosella wischte ihr das Gesicht trocken, und Silvia tat das gleiche mit Rosella. Beide mußten lächeln und lagen sich dann lange in den Armen.
»Du mußt ihm gehorchen«, sagte Rosella, »aber du wirst nicht ewig im Kloster bleiben, das verspreche ich dir.« Sie hob Silvias Kinn und sah ihr forschend in die Augen. »Ich weiß, was in deinem Kopf vor sich geht. Du möchtest wegrennen. Aber du wirst es nicht können. Sehr schnell wird man dich wie ein
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