Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
und über die steilen Treppen gefunden hatte, um ihn, den Gefangenen Alessandro Farnese, zu besuchen.
»Eminenz, Euer gehorsamster und vor Schuld gebeugter Diener!«
»Hör mit der Schauspielerei auf, Alessandro!« Als wolle er lästige Fliegen wegscheuchen, winkte Kardinal della Rovere den Kastellan und die Wärter aus dem Raum. »Dein Onkel und deine Mutter haben mich aufgesucht, und wir haben lange über dich gesprochen. Du hast den Heiligen Vater tief gekränkt. Er gibt dir in seiner unendlichen Güte ein apostolisches Amt, und du gehst lieber auf die Jagd. Verstehst du, warum man dich einsperren muß?« Die Stimme des Kardinals ähnelte einem Knurren, aber gleichzeitig schienen sich kleine Lächelfalten an den Augen bilden zu wollen. Er setzte sich auf den Tisch und schaute sich um.
Alessandro antwortete nicht.
»Auf der Treppe begegnete ich einem weiblichen Wesen, das nach Kloake roch … Bist du schon so tief gesunken?«
»Aber, Eminenz, unser Heiland widerstand den fleischlichen Versuchungen. Ich eifere ihm nach. Das Weib ist wie eine Blume, die über der Kloake wächst, und ihre Frucht ist giftig – insbesondere für einen Mann Gottes.«
Der Kardinal lachte spöttisch über Alessandros Antwort und winkte ihm, sich zu setzen. »Man spricht über dich in Rom, mein Sohn. Ein gewisser Rufino Ruffini, der kürzlich seine Frau auf tragische Weise verloren hat, bat um eine Audienz, und deine Mutter ist sehr besorgt.«
Alessandro wischte sich über sein Gesicht und zwickte sich dann leicht in die Wange, als müsse er sich vergewissern, daß vor ihm tatsächlich Kardinal della Rovere saß und zu ihm sprach. »Eminenz, ich …« brach es aus ihm heraus, aber eine herrische Geste ließ ihn verstummen.
»Ich will nicht hören, was ich ohnehin schon weiß.«
»Aber warum?« Alessandro ließ sich nun nicht mehr unterbrechen. »Warum hat man mich eingesperrt? Ich rettete Signorina Ruffini Ehre und Leben, und die sbirren holen mich nachts aus meinem Bett und werfen mich in den Kerker. Gottes Wege sind unerforschlich, das wissen wir alle, aber ER würfelt doch nicht. ER ist gerecht. Wie natürlich auch der Heilige Vater.«
»Hör auf mit deiner juvenilen Theologie!«
Alessandro schwieg und studierte das Gesicht des Kardinals, das gerötet war und dem noch immer zwei tiefe Längsfalten zwischen den Augen einen finsteren Ausdruck gaben. Aber die Lippen hatten sich entspannt und deuteten sogar ein feines Lächeln an. Nicht nur Alessandro studierte den Kardinal, der Kardinal studierte auch ihn.
»Die Freiheit ist ebenfalls eine süße Versuchung, und man muß stark sein, ihr zu widerstehen, wenn man ein Diener Gottes sein will, nicht wahr?«
Alessandro verzog seinen Mund zu einem Lächeln. In seinem Kopf arbeitete es fieberhaft. Was wollte della Rovere von ihm? Was kümmerte den mächtigsten Mann der Stadt ein kleiner eingesperrter Skriptor? Er war sogar persönlich den Turm der Engelsburg hochgestiegen, ohne Sekretäre und Wachen, wollte also kein Aufsehen erregen. Irgend etwas mußte der Kardinal mit ihm vorhaben. Aber was?
»Wer der Mutter Kirche dienen kann, ist viel süßer belohnt, Eminenz.«
»Lassen wir das Süßholzraspeln, kommen wir zum Kern.« Kardinal della Rovere räusperte sich. »Deinen Vater hat der Herr zu sich genommen. Aber deine Mutter ist eine Caetani, ihr Bruder, einer meiner Freunde, sitzt im Konsistorium. Deine Familie erhofft sich viel von dir.«
Alessandro verneigte sich leicht.
»Wir alle möchten, daß du auf dem Pfad der Tugend bleibst. Per aspera ad astra sagt man, oder, wie Seneca in seinem Rasenden Herkules ausführt: Non est ad astra mollis e terris via . Der Weg von der Erde zu den Sternen ist nicht eben.«
Alessandro verneigte sich erneut. Es war erstaunlich, daß Kardinal della Rovere, der bekannt war für seine klaren Worte, sich zu einem unbedeutenden Skriptor in die Engelsburg begab, um mit seiner Kenntnis lateinischer Literatur zu glänzen. Für einen Augenblick kam Alessandro in den Sinn, seine durchaus noch begehrenswerte Mutter und der Kardinal könnten …
»Deine Mutter glaubt, daß du viel erreichen kannst beim apostolischen Stuhl, und ich gebe ihr recht. Aber noch sieht sie kein klares Bemühen, im Gegenteil, sie sieht, daß du den Heiligen Vater vor den Kopf stößt, daß du dich auf der Jagd herumtreibst, statt im Skriptorium zu sitzen, daß du den rasenden Herkules spielst und dich in Lebensgefahr begibst. Oder willst du dem heiligen Georg nacheifern? Er
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