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Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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vorbei, in einem langen samtschwarzen Mantel, auf einem Rappen, dessen Fell seidig glänzte. Er warf Silvia einen neugierigen Blick zu und grüßte sie. Sie erschrak und schrie auf, winkte aufgeregt und rief »Alessandro!«. Ja, der junge Mann war ihr Alessandro. Dies dachte sie wenigstens. Das Trampel drückte sie auf den Sitz zurück. Der Reiter bückte sich und schaute prüfend in die Kutsche, schaute sie an. Silvia winkte heftig. Er lächelte, winkte zurück und ritt dann weiter. Verwirrt starrte sie ihm nach. Nein, es war nicht Alessandro gewesen, aber der junge Edelmann sah ihm ähnlich. Lange schwarze Haare, dazu dunkelbraune Augen und ein weiches Kinn, auch weiche, wohlgeformte Lippen. Noch einmal reckte Silvia den Kopf aus dem Kutschenfenster und starrte ihm nach, und er schaute sich um. Nein, Alessandro war es tatsächlich nicht, aber der Reiter konnte sich an Schönheit durchaus mit ihm messen. Wieder zerrte das Trampel an ihrem Kleid, und Silvia ließ sich zurücksinken.
    Warum war sie kein Mann? Als Junge könnte sie jetzt auf dem Rücken von Bianca Abenteuern nachjagen. Als Junge wäre sie frei. Kein Vater könnte sie ins Kloster sperren. Als Mädchen stieß sie dagegen überall auf Mauern.
    Silvia seufzte. Das Trampel neben ihr reagierte nicht. Manche Menschen waren stumpf wie ein Holzbock.
    Aber Silvia war anders. Sie wollte die Welt kennenlernen und nicht im Kloster ihre Zeit mit Beten von Rosenkränzen verbringen. Ihr Körper bebte. Sie wollte Alessandro, ihren Retter, wiedersehen. Sie wollte mit ihm auf ihrem Schimmel über die Weinberge reiten, am frühen Morgen, wenn die Lerchen sangen, in die Sonne hinein. Während sie intensiv an ihn dachte, verstärkte sich ihr Sehnen, es verstärkte sich in ihrem ganzen Körper, ganz besonders da, wo die Ehre einer Jungfrau saß. Zum ersten Mal in ihrem Leben durchglühte sie feuchte Hitze, und sie zitterte am ganzen Leib. Sie sah den Schimmel grasen, und neben ihm den Rappen. Die saftigen grünen Gräser und der Mohn schwangen im Sonnenlicht. Ihr Zeisig sprang von einem Ast zum anderen und trillerte vergnügt vor sich hin. Sie lag im Gras, und neben ihr lag Alessandro. Er nahm sie in den Arm, und sie konnte sich nichts Schöneres vorstellen.
6. K APITEL
    Alessandros Stimmung wechselte von Tag zu Tag. Als hätte ihn, wie Saulus, ein Strahl der Erleuchtung getroffen, betete er stundenlang und verscheuchte dabei alle sündigen Gedanken. Er fühlte die Kraft, jeglicher Versuchung zu widerstehen, und sah sich, wie einst der Heiland im Gelobten Land, durch Roms Straßen ziehen, das Wort Gottes predigen, in stillen Oratorien gemeinsam mit seinen Anhängern beten. Sie hingen an seinen Lippen, sie verehrten ihn, und er erteilte den Segen. Wie der heilige Franciscus suchte er die Armut und sprach mit den Vögeln. Versuchungen in weiblicher Gestalt traten an ihn heran, aber mit einem sanften Noli me tangere wies er sie zurück. Lange Zeit hatte er ihnen widerstanden, bis die eine kam und ihn hinabzog in den so angenehmen Feuerschlund der Leidenschaft.
    Und nun war erneut eine Versuchung an ihn herangetreten – eine sanfte, kindliche, unbefleckte wie die Gottesmutter. Nein, eine Versuchung war sie nicht, sie verkörperte die reine, die göttliche Liebe. Er konnte ihr die Hand reichen, sie segnen und weiterschreiten – zu den Hohepriestern. Mit ihnen stritt er über den wahren Glauben, und seine Worte, gewaltig wie die der Propheten und gleichzeitig unwiderlegbar wie die der griechischen Sophisten, ließen sie verstummen. Aber dann hörte er doch die Menge Barabbas , Barabbas schreien, er spürte das Kreuz auf seinen Schultern, die Dornenkrone drang in seinen Schädel und erzeugte Schmerzen wie die stickige Luft im Kerker. Je mehr er sich in seinen Gedanken Golgatha näherte, desto stärker fühlte er sich abgelenkt. Die Flöhe bissen an diesem Tag besonders heftig, und auch die Läuse gierten nach Blut und quälten ihn mit unerträglichem Jucken.
    Er schrie nach den Wärtern; das Ochsenauge brachte ihm sauberes Leinenzeug und einen frischen Strohsack. Der Gestank aus dem Eimer stach ihm in die Nase und erzeugte eine solche Übelkeit, daß er sich übergeben mußte. Der Blick auf das Kruzifix ließ ihn erschauern. Sie hatten ihn höhnisch ans Kreuz genagelt und in der brennenden Sonne verdörren lassen. Alessandro spürte die Schmerzen in den Füßen, den Händen, auf dem Kopf, und zitternd mußte er sich auf seine Pritsche legen, noch immer von Übelkeit gequält.
    Am

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