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Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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kastriere.«
    »Als Kirchendiener sind wir kastriert.«
    »Ich bin es nicht«, schrie Alessandro in plötzlich aufbrechender Wut. »Ich bin nicht kastriert, und ich werde es nie sein!«
49. K APITEL
    Im Jahre 1499 sollte Giovanni Crispo, von seinem Vater geschickt, nach Venedig reisen, um dort die Niederlassung seines römischen Handelshauses zu überprüfen. Er verspürte dazu wenig Lust, weil er von Geschäftspraktiken kaum etwas verstand, aber sein Vater erklärte, sein Sohn solle nicht nur für die Kunst Geld ausgeben, sondern sich auch einmal nützlich machen fürs Geschäft. Giovanni gab nach und erklärte Silvia, die Reise könne er zum Anlaß nehmen, einige Antiken und vielleicht auch das eine oder andere Gemälde eines zeitgenössischen Malers zu erwerben. Silvia, die gerade Tiberio abgestillt hatte, überlegte, ob sie Giovanni nicht begleiten sollte. Die Kinder waren in guter Obhut, Rosella wachte über die famiglia und erledigte alle häuslichen Aufgaben zu Silvias Zufriedenheit, und sie selbst könnte endlich einmal aus Rom herauskommen und ein wenig von der Welt sehen, die zur Zeit immer weiter und bunter wurde. Florenz, Venedig – beides mußten wunderbare Städte sein. Mailand, Genua. Vielleicht könnte Giovanni mit ihr auch in die nördlichen Berge reisen, von denen sie sich immer wieder berichten ließ. Nur wenige Menschen fühlten sich von ihnen angezogen, aber sie träumte von ihnen: zerklüftete Eisspitzen und blendende Schneefelder, stürzende Bäche, versteckte Seen und dunkle Wälder mit Bären und Wölfen.
    »Um Bären zu jagen brauchen wir nicht zu den Alpen zu reisen. Außerdem ist Jagen Männersache«, mäkelte Giovanni.
    »Ich will ja keine Bären jagen, ich will etwas anderes sehen als die sieben Hügel Roms.«
    »Wir haben doch Frascati und die Albaner Berge.«
    »Warum verstehst du mich nicht, Giovanni? Ich will einmal heraus aus unserem Palazzo, aus Rom. Ich bin neugierig auf die bunte Welt.« Silvia sah ihn bittend an und griff nach seiner Hand.
    Giovanni lachte verkrampft. »Die Berge sind nicht bunt, sondern grau oder weiß und sollen meist in Wolken sein, überall stürzen Felsen nieder oder sogar Lawinen, die Wege sind in der Regel unpassierbar – nichts für empfindsame Damen, die wohlklingende Verse dichten und Novellen schreiben. Außerdem machen dort noch mehr Wegelagerer die Gegend unsicher als hier. Ich fühle mich aber für deine Sicherheit verantwortlich – nach all den schlimmen Erfahrungen, die du erleben mußtest.«
    Silvia sah Giovanni mißtrauisch an. Sorgte er sich wirklich um ihr Wohlergehen, oder wollte er sie aus ganz anderen Gründen nicht dabeihaben?
    »Und sollen unsere Jungen in ihrem zarten Alter die Mutter so lange entbehren?«
    Giovanni schaute zufrieden drein, da er glaubte, ein wirklich zugkräftiges Argument gefunden zu haben.
    »Venedig ist eng, feucht und dreckig. Mailand ist auf jeden Fall zu weit. In Genua lungert Gesindel aus allen Ecken der Welt herum. Florenz, ja Florenz – aber gerade haben sie den Fanatiker Savonarola verbrannt, die Medici dürfen immer noch nicht zurück, Kämpfe soll es dort geben, Fehden, Racheakte. Zur Zeit erscheint es mir nicht geraten, das schöne Florenz aufzusuchen. Man weiß nie …«
    »Ich habe dich schon verstanden, Giovanni«, unterbrach ihn Silvia. »Ich bleibe hier.« Verärgert stand sie auf und verließ den Raum.
    »Aber mein Herz …«, rief ihr Giovanni nach.
    Silvia schlug die Tür zu, verzog sich in ihr Studiolo, das einmal das Studiolo ihres Vaters gewesen war, und wollte niemanden sehen. Vielleicht hatte Giovanni recht, aber trotzdem ärgerte sie sich. Seit langem begrenzte sich ihr Leben auf ihren Palazzo und, im Sommer, auf Frascati. Dort konnte sie wenigstens ausreiten. Hier in Rom ging sie, begleitet von der verschleierten Rosella und gelegentlich von Giovanni, in die Messe und manchmal auf den Markt. Und manchmal besuchten sie Freunde und Geschäftspartner von Giovanni. Gerade jetzt fehlte ihr etwas, nachdem sie während der letzten Wochen fast täglich in Michelangelos Werkstatt dem Bildhauer Modell gesessen hatte. Mit und ohne Alessandro.
    Ja, Michelangelo hatte darauf bestanden, daß es nur zwei inspirierende Vorbilder für die Maria und den Gekreuzigten gebe. Ohne sie könne und wolle er nicht arbeiten.
    Giovanni war alles andere als begeistert darüber, daß sie sich so häufig in eine Bildhauerwerkstatt begab. Er hatte seine Enttäuschung nur mühsam überwunden, aber immerhin spürte er

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