Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
nächsten Tag dann verdorrten ihm die Gebete zwischen den Lippen, er lief durch seine Zelle, verlor jedes Schachspiel und viel Geld an den Kastellan und brüllte die Wärter an, die er dann, weil sie ihn zusammenschlagen wollten, durch einen vollen Dukaten besänftigen mußte. Er hielt es in diesem stickigen, stinkenden Turm nicht mehr aus, in dieser Burg der gefallenen Engel, in Luzifers Mauern, im Hort der Dämonen, die als Fledermäuse, Krähen und Raben ihn umschwirrten und die aus den wirren Worten des Kastellans sprachen. Stundenlang starrte er durch sein Luftloch nach draußen, bis die Sonne sank und für ein paar Atemzüge ihre glühenden Strahlen hereinschickte.
Nein, er hielt es nicht länger hier aus! Er wurde nach dem Besuch des Kardinals della Rovere besser versorgt als zuvor, aber er fühlte sich wie ein Spielball unbekannter Mächte und nicht wie der heilige Georg, der Drachenbezwinger.
Als hätte er sie herbeigezwungen, erschienen plötzlich seine Mutter, sein Bruder Angelo und seine Schwester Giulia. Das Ochsenauge glotzte mit offenem Mund, der Ziegenbock buckelte. Die Ochsenaugen wurden zu Stielaugen, als Giulia, die Nase rümpfend über den stechenden Gestank der Behausung, das Glotzen mit einem Lächeln erwiderte. Alessandros Mutter trug ihr Gesicht verschleiert, der Bruder erschien bunt gekleidet, mit Federbusch, gepolstertem Wams und zweifarbigen längsgestreiften Beinkleidern, die hauteng anlagen und in spitzen Lederschuhen endeten. An seiner Hüfte baumelte ein Schwert mit einem goldverzierten Griff, von dem die Ziegenbocknase den Blick nicht abwenden konnte. In seiner Hand hielt er ein Paket.
»Huldigt ihr, meine schwarzen Engelchen, huldigt ihr!« hörte Alessandro den Kastellan rufen.
Seine Mutter schickte ihn und die Wärter die Treppe hinab.
»Madonna, du gnadenreiche, Mutter der Engel, verzeih deinem unwürdigen Diener!« grölte noch immer der Kastellan von unten.
Die Mutter hob nun den Schleier und nahm Alessandros Behausung in Augenschein. Ihr Blick wanderte angeekelt über den verschmutzten Boden, das Durcheinander der Strohballen und die aufgehäuften Leinentücher. Angelo legte das Paket auf den Tisch, lächelte seinen Bruder unsicher und gleichzeitig entschuldigend an und verzog sich schließlich zu dem Luftloch, durch das er nach draußen zu spähen versuchte. Nur Giulia war Alessandro sofort in die Arme geflogen und ließ ihn nicht wieder los.
»Giulia, setz dich!« herrschte die Mutter sie an.
Giulia löste sich langsam aus Alessandros Armen, flüsterte ihm noch »Ich habe es nicht verhindern können« ins Ohr.
Die Mutter nahm das Paket und packte ein in Leder gebundenes und reichverziertes Missale aus, dazu zwei weitere Bücher, eine Sammlung von Texten der Kirchenväter und die Confessiones des Augustinus. »Ich habe sie dir mitgebracht, damit du dir mit ihnen die Langeweile vertreiben und dich auf deine Zukunft vorbereiten kannst.«
Alessandro reagierte nicht.
»Ich habe die Confessiones auch gelesen«, sagte Angelo.
Über die Stirn der Mutter huschte ein Stirnrunzeln.
Alessandro schaute die beiden an, ohne die Bücher in die Hand zu nehmen, ohne sich zu bedanken.
»Du weißt, weswegen du hier bist?« Die Stimme seiner Mutter war ein wenig sanfter, aber noch immer sprach sie, als hätte sie einen ihrer Schafhirten vor sich.
»Ich hörte, ich sei eine Art Geisel, damit sich mein Condottiere-Bruder nicht mit den Orsini gegen den Papst stellt. Ich wußte allerdings nicht, daß er eine derartige Gefahr für den Heiligen Stuhl darstellt, und frage mich, warum man ihn nicht an meiner Stelle einsperrt.«
Angelo wollte etwas sagen, hielt aber nach einem Blick auf seine Mutter seine Worte zurück.
»Und ich hörte«, erwiderte sie, »du hättest dich durch unangemessene Äußerungen über den geistlichen Stil des Heiligen Vaters und durch aufwieglerische Bemerkungen über die Sicherheit in Rom und auf den Straßen des Patrimoniums unbeliebt gemacht. Außerdem sollst du Gott geleugnet haben.«
»Herrgott, was sind das für dumme Gerüchte!«
»Auch dumme Gerüchte haben schon manchem den Kopf gekostet!« Sie ließ sich nun vorsichtig auf einem Schemel nieder, tupfte sich den Schweiß von der Stirn.
»Wieso? Schwebe ich hier gar in Lebensgefahr?« Alessandros Stimme war leise geworden. Giulia schaute ihre Mutter erschrocken an, und auch Angelo machte eine zweifelnde Miene.
»Ich hoffe nicht.«
Alessandro studierte ihr Gesicht, konnte aber nicht erkennen, ob sie
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